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Neues Leben zieht ein
auf dem Abrissgelände

Marodes Gasthaus macht moderner Wohnanlage Platz

Von Ulrich Hohenhoff
Quelle (WB). Der Abriss ist längst vollzogen: Dort, wo im Moment noch riesige Halden mit Abraummaterial lagern, soll schon bald neues Leben einziehen. Das über die regionalen Genzen hinaus Unternehmen »planen + bauen« (p + b) aus Bünde will auf dem Gelände der ehemaligen Gaststätte und des beliebten Motorradfahrertreffs »Waldquelle« an der Genfer Straße eine schmucke Siedlung mit etwa zehn Reihenhäusern in Zwei-Liter-Technologie errichten. Die »Waldquelle« hätte in diesem Jahr ihren 100. »Geburtstag« feiern können.

Doch der marode Gebäudekomplex stand lange leer und verwahrloste in den vergangenen Jahren immer mehr.
»Ein Bach, der murmelt in dem Tal von einer kühlen Quelle. Ich ging dann seinem Laufe nach und kam zu dieser Stelle«, heißt es auf einer alten Postkarte aus dem Jahr 1929. Zu der Zeit stand die »Waldquelle« in voller Pracht, war beliebtes Ausflugsziel der Erholung suchenden Bielefelder. In einer historischen Aufzeichnung ist festgehalten, wie es zum Betrieb der Gaststätte kam. Man schrieb das Jahr 1906, als sich im Haus von Heinrich Faust in Quelle Nr. 51 einige gestandene und trinkfeste Queller einfanden, um den Hausherrn zu überreden, in seinem Haus eine Gaststätte einzurichten.
Der Antrag mit den Unterschriften der Männer wurde beim Amt Brackwede eingereicht. Noch im selben Jahr kam die ersehnte Schankerlaubnis. Vorerst allerdings nur für alkoholfreie Getränke, was aber wohl nicht immer eingehalten wurde, denn der Inhaber musste schon mal eine deftige Strafe zahlen. Nur ein Jahr später erhielt Heinrich Faust die Schankerlaubnis für alle Getränke. Von da an setzte der Aufschwung ein.
Anfang der 30er Jahre übernahmen Hermann Scheidemann und Gattin das Lokal. Ein wunderschöner Biergarten mit Tanzfläche sowie Spielgeräte für Kinder standen bereit. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Saal von einer Kalenderfirma als Lager genutzt. Nach dem Krieg übernahm Ida Holtmann, eine Tochter Heinrich Fausts, die Gaststätte, zu der auch ein Lebensmittelgeschäft gehörte. 1954 kauften Paul Kleimann und Gattin Lieschen die »Waldquelle«. Diese erlebte von da an eine Renaissance.
Das Haus wurde erweitert und entwickelte sich zu einem Anziehungspunkt nicht nur für die Queller. Hochzeiten, private und Vereinsfeiern fanden in den Folgejahren statt. Als Peter Frankenfeld oder große Fußballspiele im Fernsehen übertragen wurden, war die Gaststätte bis auf den letzten Platz besetzt. Als Paul und Lieschen Kleimann sich in den Ruhestand verabschiedeten, vermieteten sie das Lokal. Mehrere Pächter versuchten in den Folgejahren, die »Waldquelle« wieder mit Leben zu füllen.
Erst 1988 kam unter der Regie von Gerd Tigges neuer Schwung in das Traditionsgasthaus. Viele Jahre war dieses dann ein beliebter Treffpunkt für junge und jung gebliebene Gäste. Doch Wirt und Publikum wechselten schließlich nach Amshausen in die »Friedrichshöhe«. Ein neuer Pächter gab nach kurzer Zeit wieder auf. Vorbei waren die Zeiten, als im großen Saal und unter hohen Bäumen das Tanzbein geschwungen, im großen Biergarten so manches Glas kühlen Gerstensaftes getrunken wurde oder als der »Wald-Gerd« bei fetziger Rockmusik sein Pils zapfte.
Auf dem 3050 Quadratmeter großen Areal gingen die Lichter aus. Das Haus stand leer, verkam und verwahrloste. Bis die Abrissbagger kamen. Nach Angaben des vor 27 Jahren gegründeten Unternehmens »p + b« soll hier künftig »ein kinderfreundliches Wohnparadies mit bester fußläufiger Anbindung an das Schul- und Sportzentrum sowie zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten« entstehen. Aufgrund der erstklassigen Lage und der wenigen zur Verfügung stehenden Grundstücke rät der Bauträger »zur Eile bei der Reservierung der jeweiligen Traumgrundstücke« - auch wegen der Erhöhung der Mehrwertsteuer im nächsten Jahr.

Artikel vom 14.09.2006