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Bahn stellt Weichen auf Streik

Den Börsengang vor Augen: Politiker wollen sich nicht erpressen lassen

Berlin (dpa). Bei der Deutschen Bahn stehen die Weichen auf Warnstreik. Von Ende September an müssen Fahrgäste mit Behinderungen rechnen.

Nach dem Scheitern der Verhandlungen über Arbeitsplatzgarantien im Anschluss an den geplanten Börsengang der Bahn sehe man keine andere Möglichkeit, als zu diesem letzten Druckmittel zu greifen, kündigten die Gewerkschaften Transnet und GDBA in Berlin an. Eine Fortsetzung der Gespräche komme nur in Frage, wenn der 2005 vereinbarte Beschäftigungspakt eingehalten werde, sagte Transnet-Chef Norbert Hansen. »Wir werden keinen Kompromiss zulassen, der Arbeitsplätze gefährdet.« Somit ist auch die Schlichtung von Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) und dem früheren sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) gescheitert.
Bahn-Chef Hartmut Mehdorn sah in der derzeitigen Situation grundsätzlich keinen Spielraum für Zugeständnisse. »Wir sehen keine Möglichkeit, den Gewerkschaften umfassende Zusagen zur Beschäftigungssicherung für alle möglichen Privatisierungsmodelle zu machen«, sagte er.
Bahn-Personalvorstand Margret Suckale sagte jedoch, ein Streik könne wohl nur verhindert werden, wenn sich der Bund als Eigentümer in den kommenden zwei Wochen noch für einen Erhalt des Unternehmens mit Schienennetz entscheidet. An die Gewerkschaften appellierte sie, die Auseinandersetzung nicht auf dem Rücken des Kunden auszutragen. Ein Streik würde »Riesenprobleme« verursachen und einen Verlust von Fahrgästen bedeuten. Die Gewerkschaften halten Proteste vom 28. September an für möglich.
Diese Situation dürfte den Druck auf die Politik erhöhen, im Sinne des Bahnvorstandes zu entscheiden. Transnet-Chef Hansen bot Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Gespräch an. Mehdorn und die Gewerkschaften sind gegen eine Abtrennung des Netzes. Im Bundestag ist derzeit vor allem ein Modell im Gespräch, das vorsieht, das Schienennetz bei der Bahn zu belassen, dem Bund aber eine Rückholoption einzuräumen.
Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bedauerte das Scheitern der Gespräche. »Wir hoffen, dass die Tarifpartner trotzdem zu einer für alle Beteiligten akzeptablen Lösung kommen«, sagte eine Ministeriumssprecherin. Tiefensee hatte zuletzt wiederholt bekräftigt, die Trennung von Transport und Netz sei vom Tisch.
Klaus Lippold (CDU), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, sagte, der Beschäftigungspakt könne auch bei der Entscheidung für ein »Eigentumsmodell« Bestand haben. Winfried Hermann (Grüne) nannte die Tarifverhandlungen eine Farce. Horst Friedrich, verkehrspolitischer Sprecher der FDP, sprach von einer durchsichtigen Schmierenkomödie. Er warnte wie Lippold und Hermann vor politischer Erpressung und Druck auf das Parlament.
Schröder und Biedenkopf sagten weiter, ohne Netzeigentum der Bahn sei der Schutz vor Entlassungen nicht über Tarifregelungen zu bewahren. Derart weitgehende Änderungen der Konzernstruktur machten es unmöglich, Beschäftigte im »konzerninternen Arbeitsmarkt« weiterzuvermitteln. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 14.09.2006