15.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Mädchen und
Jungen und
das Freibad

Vom Stress des Erwachsenwerdens


Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Erwachsenwerden ist nicht besonders lustig. Lena (Jennifer Breitrück) ist zu klein für ihr Gewicht, aber immerhin nur die Drittdickste in der Klasse. Hanna (Ulrike Müller) ist verliebt in Gerber (Lukas Piloty). Der auch in sie und das zeigt er mit Schmetterbällen an der Tischtennisplatte und Köppern vom Drei-Meter-Brett. Surbeck (Felix Lohrengel) ist auch verliebt in Hanna. Meistens benimmt er sich peinlich - irgendwie. Klein-Gerber (Alexander Wagner) sowieso. Kleine Brüder nerven eben und sind nur gut zum Zigarettenholen. Die raucht man im Freibad hinterm Gebüsch. Während man nach den Mädchen schielt. Dabei würde Klein-Gerber auch gern wissen, wie das mit den Mädchen so ist. Ein Sommer, wie ihn wohl jede(r) kennt. Und am liebsten (im Rückblick) aus dem Gedächtnis streichen würde. Davon erzählt Andri Beyeler in seinem Stück »The killer in me is the killer in you my love«, das gestern Abend im TAMzweijung Premiere hatte. (Der Titel ist übrigens ein Zitat aus einem Song der Gruppe »Smashing Pumpkins«).
Die Texte sind eigentlich Monologe. Jeder der Akteure erzählt die Nichtigkeiten aus seiner persönlichen Sicht. Das Stück zeigt Sprachlosigkeit, den Austausch von Nichtigkeiten. Schließlich, so Hanna: »Wir reden über nichts. Also über alles.« In der Bühne von Friedrike Hölscher lässt Regisseur Orazio Zambelletti Bilder im Kopf entstehen. Da sind die Sehnsüchte von Jugendlichen, die nicht genau wissen, was sie wollen, aber cool sein wollen. Ob einer Täter ist oder Opfer, das bestimmen die Umstände. Kleinigkeiten meist, die große Auswirkungen haben: Freundschaften zerbrechen, Rollen, die sich durchs gesamte Leben ziehen, werden geformt. Am Ende sind wieder alle allein. Nur - ausgerechnet - Klein-Gerber und Lena nicht, die im Freibad doch nie das T-Shirt auszieht. Klein-Gerber interessiert sich nämlich am Ende des Sommers auch für Mädchen. Und Lena für ihn. Eine Fernbeziehung allerdings. Die Schauspieler, drei von ihnen noch an der Folkwang-Hochschule, lassen das Lebensgefühl aus der Zeit der Pubertät wieder erwachen. Jugendliche erzählen den Jugendlichen im Publikum davon. Oder sind es eher die Erwachsenen, die in den »Rückspiegel« schauen? »The killer in me. . .« jedenfalls ist sehenswert für alle von 14 bis 84: »Könnt doch lustig werden. Also gehn wir jetzt?«

Artikel vom 15.09.2006