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Ein paar Minuten ganz privat:
Papst betet am Grab der Eltern

Orgel eingeweiht und Babys geküsst: Benedikt XVI. begeistert Bayern

Regensburg (dpa). Im wohl privatesten Moment seines Besuches in Bayern hat Papst Benedikt XVI. gestern mehrere Minuten am Grab seiner Eltern und seiner Schwester gebetet. Zusammen mit seinem Bruder Georg verweilte er an der schlichten Grabstätte, die mit einem Rosen- und Lilienstrauß geschmückt war. Danach fuhren die Brüder nach Pentling weiter, wo sie sich in das Wohnhaus Joseph Ratzingers zurückzogen, das dem Papst noch immer gehört.
In der Regensburger Kathedrale feierte Benedikt XVI. einen ökumenischen Gottesdienst. Heute kehrt der Papst nach Rom zurück. Foto: dpa
Benedikt XVI. ging spontan auf seine ehemaligen Nachbarn zu und begrüßte sie. Auf dem Friedhof im Regensburger Stadtteil Ziegetsdorf wurden das Kirchenoberhaupt und sein Bruder nur von kleinem Gefolge begleitet: Der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, Joseph Ratzingers ehemaliger Sekretär Bischof Josef Clemens, sein Privatsekretär Georg Gänswein und der örtliche Pfarrer warteten ein paar Meter entfernt, während die Brüder am Grab beteten. Der Pontifex und seine Begleiter besuchten noch die nahe gelegene Kirche St. Josef, ehe Papst Benedikt und sein Bruder nach Pentling weiterfuhren.
Am Vormittag hatte Papst Benedikt XVI. in Regensburg eine neue Orgel in der Alten Kapelle eingeweiht. Die Stimmigkeit der Orgelpfeifen stehe im übertragenen Sinn auch für die kirchliche Gemeinschaft, sagte der Papst: »Wie in der Orgel eine berufene Hand immer wieder die Disharmonien zum rechten Klang vereinen muss, so müssen wir auch in der Kirche in der Vielfalt der Gaben und der Charismen immer neu durch die Gemeinschaft des Glaubens den Einklang im Lob Gottes und in der geschwisterlichen Liebe finden.«
Mit einer Limousine war der Pontifex vom Priesterseminar, wo er während seines Regensburg-Aufenthaltes wohnte, zur Wohnung seines Bruders Georg in die Luzengasse gefahren. Von dort aus ging er mit seinem Bruder und dem weiteren Gefolge zu Fuß zur Stiftskirche. Auf dem Platz vor dem Gotteshaus nahm sich Joseph Ratzinger Zeit für die Schaulustigen und schüttelte wie an den Vortagen erneut viele Hände.
Feierliche Kirchenmusik sei keine die Liturgie umrahmende und verschönende Zutat, »sondern eine wichtige Weise tätiger Teilnahme am gottesdienstlichen Geschehen«, sagte der Pontifex in seiner Ansprache vor 400 geladenen Gästen. Die Orgel sei die Königin der Instrumente, »weil sie alle Töne der Schöpfung aufnimmt und die Fülle des menschlichen Empfindens, unsere Freude, unsere Trauer, unser Leid, zum Schwingen bringt«. Benedikt XVI. besprengte die Orgel mit Weihwasser und schloss die Andacht mit der lateinischen Segensformel.
Immer wieder küsste der Papst auf den Stationen seines Bayern-Besuches Babys und kleine Kinder. Mütter reichten ihm ihre Töchter oder Söhne, Benedikt XVI. drückte sie an sich und küsste sie auf die Stirn. Die stets nur wenige Sekunden dauernden herzlichen Begegnungen des alten Mannes mit seinen jüngsten Papst- Fans gingen um die Welt - und können ungewohnte Folgen haben: Der Vater eines der in Regensburg geherzten Babys gab gestern bekannt, er wolle die Windel aufbewahren, die seine Antonia trug.
Als der Papst nach der ökumenischen Vesper im Dom und einem Bad in der Menge bereits wieder im Papamobil Platz genommen hatte, reichte ihm ein Bodyguard das kleine Mädchen durch die geöffnete Seitenscheibe des gepanzerten Fahrzeugs. Benedikt küsste die erst kürzlich getaufte Antonia auf die Stirn. Die Eltern des Mädchens hatten hinter der Absperrung stundenlang auf diesen Moment gewartet.
Er werde das Video, mit dem er das einmalige Zusammentreffen seiner Tochter mit dem Kirchenoberhaupt festhielt, wie einen Schatz hüten, sagte der Vater dem Bayerischen Rundfunk. Auch alle Kleider, die Antonia trug, wollen die Eltern aufheben - samt der Windel. Später wollen sie dem Kind erklären, was an jenem 12. September 2006 mit ihm passierte.
Am Dienstagabend hatte der Papst politisch Akzente gesetzt, als er dem Dschihad, dem Heiligen Krieg im Islam, in einem Vortrag in Regensburg eine Absage erteilte und betonte, Gott habe keinen Gefallen an Blut. »Papst Ratzinger exkommuniziert das Schwert Mohammeds«, schrieb die römische Zeitung »La Repubblica«.

Artikel vom 14.09.2006