16.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Dieses Medium
ist unsterblich

Langspielplatte wird 75 Jahre alt

Von Iris Auding
Hamburg (dpa). Das neue Album von Bob Dylan heißt zwar »Modern Times«, doch von moderner digitaler Technik hält der 65-jährige Musiker wenig. Schuld an mangelnder Qualität heutiger Aufnahmen ist nach Dylans Meinung das CD-Format.

Der amerikanische Rock- und Folksänger sehnt sich zurück nach der Schallplatte. Die schwarze Scheibe blickt auf eine lange Geschichte zurück: Am 17. September 1931 wurde in New York die erste für die Öffentlichkeit bestimmte Langspielplatte mit 33 1/3 Umdrehungen pro Minute vorgestellt. Vorher hatten Schellackplatten mit 78 Umdrehungen pro Minute lediglich ein Musikstück wiedergegeben. In den vergangenen 75 Jahren nahmen die länger spielenden Rundlinge aus Schellack und später Vinyl eine rasante Entwicklung - bis zur Einführung der Compact Disc (CD), welche die Toninformationen digital aufzeichnet. Mittlerweile erlebt die bisweilen bereits totgesagte Langspielplatte (LP) nach Einschätzung einiger Musikkritiker eine Renaissance.
Bei den Absatzzahlen kann die Schallplatte allerdings nicht mit der CD und Songs aus dem Internet konkurrieren: Nach Angaben der Phonoverbände wurden im 2005 in Deutschland 123,7 Millionen CDs sowie etwa 600 000 LPs verkauft; mit 35 Millionen heruntergeladenen Titeln etablierte sich der Musikverkauf per Internet weiter. Der Absatz von CDs ist zudem seit mehreren Jahren rückläufig. »Geld verdient wird im physischen Markt vor allem mit der CD, trotz sinkender Absatzzahlen des Tonträgers. Ein stärkerer Aufschwung der Musikindustrie durch die LP ist mangels Masse eher unwahrscheinlich«, sagt Johann-Friedrich Brockdorff, Leiter des Referats Wirtschaft der Phonoverbände. Auch bei der Klangqualität sieht Brockdorff die CD vor der LP.
Thomas Schmidt, Redakteur beim »LP - Magazin für analoges Hifi & Vinyl-Kultur«, lässt sich davon nicht beirren. »Man kann schon von einer Wiedergeburt der LP sprechen, auch wenn sich die Verkaufszahlen undramatisch anhören«, sagt der Experte. »Der Handel mit gebrauchten Platten ist riesig, für hochpreisige Plattenspieler gibt es einen lukrativen Markt.« Auch der Musikexperte Wolfgang Doebeling ist sich sicher: »Die LP wird zwar nie wieder das beherrschende Medium sein, aber so lebendig wie heute war sie seit 15 Jahren nicht mehr. So gibt es in den USA vier bis fünf Millionen Menschen, die nur Vinyl kaufen.« Schmidt ist der Ansicht, dass Schallplatten »exakter, atmosphärischer und authentischer« klingen. Auch Doebeling schwärmt davon, dass im Gegensatz zu datenkomprimierten Formaten wie CD und MP3 »alle Zwischentöne zu hören sind«.
Viele Musiker wie Bob Dylan, Oasis und Neil Young lassen ihre Werke auch im digitalen Zeitalter noch auf LP pressen. »Die Langspielplatte wird es immer geben, sie ist ein unsterbliches Medium«, davon ist Schmidt überzeugt.

Artikel vom 16.09.2006