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Schaut auf die
Monsterwelle

Feininger-Ausstellung in Wuppertal

Von Antje Lorscheider
Wuppertal (dpa). »Stehgeiger in rotem Frack«: So lautet der Titel einer flüchtigen Zeichnung eines Fidel spielenden Mannes von Lyonel Feininger. Eine muntere Selbstdarstellung, die der deutsch-amerikanische Künstler 1908 schuf.

Als in New York geborener Sohn eines deutschen Musikerehepaares war Feininger (1971 - 1956) selbst ein »musikalisches Wunderkind«. Doch, statt Violine in Leipzig zu studieren, habe er sich 1887 für ersten Zeichenunterricht an der Kunstgewerbeschule in Hamburg entschieden, erzählt Gerhard Finckh, Direktor des Von der Heydt-Museums. Dort ist von Sonntag an die Ausstellung »Feininger - Frühe Werke und Freunde« zu sehen (bis 19. November).
Die mit 60 Gemälden sowie 120 grafischen Arbeiten umfangreiche Schau ist nach Museumsangaben die erste große Präsentation Feiningers als einem der wichtigsten Künstler der Klassischen Moderne in Deutschland seit 15 Jahren. Ergänzt um 70 Arbeiten von Freunden und Kollegen wie Erich Heckel, Alfred Kubin oder Paul Klee zeichnet sie jene 50 Jahre nach, die Feininger bis 1937 in Deutschland verbrachte.
Als chronologischer Parcours macht die Schau nicht nur die Entwicklung Feiningers deutlich: Vom bekannten Karikaturisten für den Berliner »Ulk« über die »Lustigen Blätter« und seine Pariser »Anfängerbilder« bis hin zu dem berühmten prismatisch zersplitterten Stil der Architekturbilder. Der Weg von Werk zu Werk des von 1913 an in Weimar beheimateten Künstlers, der dort 1919 ans neu gegründete Bauhaus berufen wurde, steckt auch voller selten gezeigter Überraschungen. Dazu zählen die »Mummenschanz«-Bilder aus den späten 1910er Jahren, die wie in »Große Revolution« einen ekstatisch heranstürmenden Zug zeigen, der eine Zylinder tragende Bourgeoisie hinweg fegt.
Neben den kristallin »transzendierten« Kirchenbildern Feiningers aus Halle, Gelmeroda und thüringischen Dörfern wie Zottelstedt, Mellingen oder Umpferstedt, belegen zahlreiche Seestücke eine andere Leidenschaft: Schiffe und die Liebe für die Ostsee. Die ist sowohl in detaillierten Zeichnungen von Segel- und Motorbooten, Strandszenen, Landungsstegen oder Pieren festgehalten als auch in Gemälden wie »Schärenkreuzer«.
Besonderes Augenmerk verdienen zwei weitere Bilder: Die in fahlem Licht überirdisch und futuristisch bebaut daliegende »Insel« aus dem Jahr 1923, weil sie seit den 1940er Jahren nicht mehr öffentlich zu sehen war und die »Schwarze Welle« von 1937. Das Werk mit dem Ozeandampfer unter der Beflaggung der Schweiz, Schwedens und der USA wird von einer Monsterwelle emporgehoben. Der »braunen Welle«, die den Künstler und seine Familie in dem Jahr in die Emigration »spülte«.
www.von-der-heydt-museum.de

Artikel vom 14.09.2006