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»Die Sache geht nicht ohne Gott«

Papst betont vor 250 000 Menschen Unverzichtbarkeit des Glaubens - Absage an die Ökumene

Regensburg (dpa). Tag der Kontraste: Vormittags wieder das Bad in der Menge, »Benedetto-Rufe« und eine Messe vor 250 000 Menschen auf dem Islinger Feld bei Regensburg. Am Nachmittag dann die Rückkehr des Gelehrten an seine frühere Wirkungsstätte, die Universität Regensburg, mit einer rein theologischen Vorlesung.
Gern gesehen: Helfer verteilten während der Papstmesse Getränke.

Abends schließlich enttäuscht er all jene, die sich bei einer ökumenischen Begegnung ein spürbares Zeichen der Annäherung erwartet hatten. Gegensätzlicher hätte das Programm des vierten Tages der knapp einwöchigen Visite von Benedikt XVI. in der Heimat kaum sein können.
Auch wenn die Viertelmillion Pilger »ihren« Papst in Regensburg wie schon zuvor in München und Altötting begeistert feiern, die Predigt, die er ihnen serviert, dürfte dem letzten klar machen, dass der frühere Theologieprofessor für Dogmatik und spätere Glaubenshüter im Vatikan auch als Papst unbeirrt an seinen Grundüberzeugungen festhält.
Er erklärt in einer gehobenen Katechese dem Kirchenvolk das Apostolische Glaubensbekenntnis und prangert den Atheismus an. Für den Menschen ist Gott existenziell, lautet sein Credo. Mit ihrem Glauben seien die Katholiken keineswegs auf dem Holzweg.
In seiner Vorlesung »Glaube, Vernunft und Universität - Erinnerungen und Reflexionen« zeigt Joseph Ratzinger, wie sehr er sich in theologischer Lehre und Forschung nach wie vor zu Hause fühlt. Es ist ein akademischer Vortrag. Aufgaben und Grenzen der Theologie, »Maulkörbe« wie sie der Vatikan Hochschullehrern immer wieder verpasst bei unliebsamen Publikationen, sind hier kein Thema. Es geht von der Antike über das Mittelalter bis zur Gegenwart unter anderem um die Frage, ob Theologie eine Wissenschaft sei - natürlich ist sie das für Ratzinger.
In der Abenddämmerung schließlich geht es um die schmerzlich vermisste Einheit der Christen. Zum Auftakt des Papst-Besuchs hatte Bundespräsident Horst Köhler eindringlich als evangelischer Christ Fortschritte in der Ökumene angemahnt - und Benedikt mit seiner spontanen Replik, dies sei ihm eine Herzensangelegenheit, Hoffnungen genährt.
Doch an diesem Abend bleibt es im gotischen Dom zu Regensburg wieder nur bei äußeren Zeichen der Verbundenheit. Vor der Vesper gibt es ein kurzes Treffen mit evangelischen, orthodoxen und jüdischen Religionsvertretern, gemeinsam zieht die Prozession in die mächtige Kathedrale ein.
In seiner Vesper-Ansprache betont der Papst das gemeinsame Gottesbild aller Konfessionen und die Verpflichtung, Zeugnis abzulegen. Kein Wort verliert das katholische Kirchenoberhaupt zum Abendmahl, kein Wort zu den theologischen Knackpunkten wie das Ämterverständnis und die Rolle des Papstamtes.
In seiner Predigt auf dem Islinger Feld bei Regensburg bezeichnete der Papst den Glauben auch für den modernen Menschen als existenziell notwendig.
Während des Gottesdienstes kam es zu zwei Zwischenfällen. Ein Mann stürmte auf den Altarhügel zu. Der 100 Meter vom Papst entfernt im Ehrengastbereich sitzende Mann wurde laut Polizei von Sicherheitskräften niedergerungen. Zudem erlitt ein junger Mann einen Herzstillstand, konnte aber reanimiert werden.
Der heutige Tag ist nach der Weihe der »Benedikt«-Orgel in der Alten Kapelle von Regensburg dem private Teil des Papst-Besuches vorbehalten. Ratzinger wird bei seinem drei Jahre älteren Bruder Georg zu Mittagessen, das Grab seiner Eltern und Schwester besuchen.

Artikel vom 13.09.2006