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Gericht lässt Prediger laufen

Volksverhetzung nicht nachweisbar

Von Christian Althoff
Minden (WB). Der Ägypter Usama A. (40) aus Porta Westfalica steht nicht länger im Verdacht, mit Hasspredigten zu Gewalttaten aufgerufen zu haben. Das Amtsgericht Minden hat gestern das Verfahren wegen Verdachts der Volksverhetzung eingestellt. Im Gegenzug erklärte sich der Imam bereit, 200 Sozialstunden zu leisten.
Usama A. (r.) auf dem Weg ins Mindener Amtsgericht. Foto: Stefan Hörttrich

Usama A. lebt seit 1996 in Deutschland. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war er ins Fahndungskreuz des Bundeskriminalamtes (BKA) geraten. Denn der anerkannte Asylant hatte in Münster das »Islamische Zentrum« gegründet, dessen damaliger Vize-Vorsitzender Kontakte zu Ziad Jarrah aus Hamburg gehabt haben soll, einem der Flugzeugentführer des 11. September. Der Generalbundesanwalt leitete ein Verfahren wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer Terror- Vereinigung gegen Usama A. ein und ließ Wohnungen durchsuchen. In Minden fanden Polizisten bei einem Freund des Beschuldigten 1800 Audiokassetten und 250 Videobänder. Auf einigen Kassetten waren Predigten zu sehen und zu hören, die Usama A. in der Mindener Moschee gehalten hatte.
Der Terrorverdacht gegen Usama A. bestätigte sich nicht, aber zwei Passagen in seinen arabischsprachigen Predigten veranlassten die Staatsanwaltschaft Bielefeld, Anklage wegen Volksverhetzung zu erheben. Im Prozess überraschte gestern ein Sachverständiger des BKA mit der Feststellung, dass mit Usama A.s Aufruf zum Gihad nicht unbedingt der bewaffnete Kampf gemeint sei: »Gihad kann auch bedeuten, sich verbal anzustrengen, jemanden vom islamischen Glauben zu überzeugen.« Die Aufnahme eines zweiten mutmaßlich volksverhetzenden Satzes konnte nicht verwertet werden, weil ihr Entstehungsdatum nicht feststand und von einer Verjährung ausgegangen werden musste.
Staatsanwalt Hermann Simonsen beantragte daraufhin die Einstellung des Verfahrens und wandte sich abschließend an den Angeklagten und die moslemischen Zuschauer: »In Deutschland sind alle Religionen gleichberechtigt. Das Problem des Islam ist jedoch, dass er auch noch einen politischen Anspruch hat. Deshalb haben wir Angst, dass in Ihren Moscheen junge Leute dazu gebracht werden, uns friedliebende Deutsche zu hassen!« Die Muslime müssten daran arbeiten, solche Befürchtungen abzubauen, sagte Simonsen. »Und das beginnt damit, die Sprache des Gastlandes zu lernen.«

Artikel vom 13.09.2006