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Deutsche Bildung fällt zurück

Neue Studie der OECD: zu wenig Abiturienten und Akademiker

Berlin (dpa). Das deutsche Bildungssystem fällt im weltweiten Vergleich der 30 wichtigsten Industriestaaten weiter zurück.
Angesichts der in allen Nationen erheblich gestiegenen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt bilde Deutschland nach wie vor zu wenig Akademiker und Abiturienten aus, heißt es in dem OECD-Bildungsbericht 2006. Auch würden in der Bundesrepublik viel zu wenig Beschäftigte regelmäßig weitergebildet. Erneut werden in der 500-Seiten-Studie zudem fehlende Bildungschancen für Kinder von Migranten und armen Eltern in Deutschland kritisiert.
OECD-Bildungskoordinator Andreas Schleicher bescheinigte Deutschland gestern bei der Präsentation des Jahresberichts in Berlin zwar »erkennbare Verbesserungen«, wie etwa mehr Studenten in den neuen Bachelor-Studiengängen oder den Ausbau der Ganztagsschulen. Doch andere Nationen hätten deutlich schneller und viel umfassender auf den »dramatischen Anstieg« der Nachfrage nach Spitzenkräften, vor allem in den Technik- und Naturwissenschaften, reagiert.
So konnte Deutschland zwar den Anteil der Hochschulabsolventen pro Jahrgang zwischen 2000 und 2004 von 19,3 auf 20,6 Prozent steigern. Doch im OECD-Schnitt erwerben mittlerweile schon 34,8 Prozent der jungen Menschen einen akademischen Abschluss - statt 27,7 wie noch 2000. Noch rasanter hätten Staaten wie Indien und China ihr Bildungssystem ausgebaut und drohten bald, Europa in Sachen Spitzenqualifikation zu überrunden, sagte Schleicher.
Staatssekretär Andreas Storm aus dem Bundesbildungsministerium räumte ein, dass Deutschland angesichts der weltweiten Bildungsentwicklung »einen Zwischenspurt einlegen« müsse.
Doch da an deutschen Schulen gemessen am OECD-Schnitt auch relativ wenig junge Menschen eine Studienberechtigung für Universität oder Fachhochschule anstreben, sieht Schleicher »das Potenzial für Steigerungen als weitgehend ausgeschöpft« an. In Deutschland erwerben 38,8 Prozent eines Jahrganges die Hochschulreife, im OECD-Schnitt sind dies inzwischen 67,7 Prozent.
Auch bei der Weiterbildung kann Deutschland nicht glänzen. Während 2004 in der Bundesrepublik 12 Prozent der 25- bis 64-Jährigen an einer beruflichen Weiterbildung teilgenommen hatten, waren dies im OECD-Mittel 18 Prozent. Von 100 Ungelernten in Deutschland machten nur drei Prozent eine berufliche Weiterbildung. Im OECD-Schnitt sind dies mehr als doppelt so viel.
Erneut verweist der Bericht zudem auf die mit den PISA-Studien festgestellte hohe Abhängigkeit von Bildungserfolg und sozialer Herkunft in Deutschland. Nach neuen OECD-Berechnungen ist in Deutschland für Kinder aus der unteren sozialen Schicht die Wahrscheinlichkeit des Schulversagens um 4,6 mal größer als für Kinder aus der Oberschicht. Von den hierbei untersuchten 29 OECD-Staaten haben nur noch Belgien, die Slowakei und Ungarn schlechtere Werte.
Anders als in vielen anderen OECD-Staaten stagnieren in Deutschland dem Bericht zufolge die Bildungsausgaben. So lag 2003 der Anteil dieser Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt mit 5,3 Prozent deutlich unter dem OECD-Schnitt von 5,9 Prozent. Schleicher verweis darauf, dass die Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Staaten relativ wenig Geld für jüngere Schüler bis zur Klasse zehn ausgibt, dagegen aber überdurchschnittliche Aufwendungen für Oberstufenschüler und Studenten habe. Die Präsidentin der Kultusminister-Konferenz (KMK), Ute Erdsiek-Rave (SPD), forderte eine neue »Qualitäts-Offensive« für die Bildung. Finanziert werden könne dies durch das Geld, das Länder und Kommunen in den nächsten Jahren durch den erheblichen Schülerrückgang einsparen.

Artikel vom 13.09.2006