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Gen-Reis breitet sich aus

Experten: Kein Gesundheitsrisiko - Aldi nimmt »Bon-Ri« zurück

Von Dietmar Kemper
Bielefeld (WB). In immer mehr Proben finden sich Spuren der gentechnisch veränderten Reissorte LL601. Discounter Aldi hat das Reisprodukt »Bon-Ri« aus den Regalen genommen. Experten zufolge besteht aber kein Gesundheitsrisiko.

Aldi-Kunden können »Bon-Ri« in den Filialen zurückgeben, bot das Unternehmen an. »Bei LL601 handelt es sich um gentechnisch modifizierten Reis, der resistent ist gegen Unkrautvernichtungsmittel«, sagte Dorothee Staiger gestern dieser Zeitung. Sie lehrt an der Universität Bielefeld molekulare Zellphysiologie und hat zuvor am Max-Planck-Institut in Köln über Züchtungsforschung promoviert. Die Reissorte LL601 sei in Europa nicht zugelassen, von ihr gehe aber keine direkte Gesundheitsgefahr aus, sagte die Wissenschaftlerin dieser Zeitung: »Das Fremd-Gen wird beim Verdauungsprozess zerstört.« Die Abkürzung LL stehe für »Liberty Link«, den Namen des Pflanzengiftes.
Normaler Reis enthalte mehr als 20 000 Gene, bei Sorten wie LL601 würden zwei oder drei Gene zusätzlich ins Erbgut geschleust, um gezielt Proteine zu erzeugen, betonte Staige2r. Die Proteine könnten dann die Pflanzen widerstandsfähig gegen Krankheiten machen, die Aufnahme von Eisen im menschlichen Körper erleichtern oder den Gehalt von Vitamin A im Lebensmittel künstlich erhöhen. »Gentechnisch veränderter Reis mit mehr Vitamin-A-Vorstufen wird in Ländern der Dritten Welt eingesetzt, um der verbreiteten Sehschwäche bei Kindern entgegen zu wirken«, erklärte Staiger.
Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht bislang keine Gesundheitsgefahr für Verbraucher durch den beanstandeten Reis. Die EU-Kommission hatte mitgeteilt, dass mehr als jede fünfte Probe Langkornreis in Europa den nicht zugelassenen Reis LL601 enthält. Die Industrie habe in 33 von 162 Proben die aus den USA stammende Sorte gefunden.
Gestern wurden auch Spuren von LL601 in Reisproben in Frankreich und Schweden gemeldet. Die USA hatten europäische Behörden am 22. August unterrichtet, dass in kommerziell angebautem Reis Spuren der genveränderten Sorte gefunden worden seien.
Nach Angaben der Bayer-Tochter CropScience, die nach einer Firmenübernahme die Rechte an LL601 hat, wird diese Sorte weltweit weder angebaut noch vermarktet. Gleichwohl habe die US- Lebensmittelbehörde FDA den Reis als sicher für die Ernährung eingestuft, sagte CropScience-Sprecherin Annette Josten.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace sprach von einem »dicken Skandal« für die Gentechnik-Industrie: »Es wird einmal mehr deutlich, dass die Hersteller von genmanipulierten Pflanzen deren Ausbreitung nicht verhindern können, vielleicht auch nicht verhindern wollen.« Greenpeace mahnte, die von CropScience angestrebte Zulassung einer weiteren Gen-Reissorte zu stoppen.
Die Verunreinigung durch LL601 werde die geringe Akzeptanz in Europa für Feldversuche weiter schwächen, ist Dorothee Staiger sicher. Das werde »Stagnation in der Forschung« Vorschub leisten. US-Wissenschaftler bescheinigen Europa eine weltfremde Einstellung. Sie sehen verstärkt die Vorteile der Gen-Technik. Wirtschaft

Artikel vom 13.09.2006