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Elmar Brok

»Israel kann viel erreichen, wenn es mit seinem Feind Syrien spricht.«

Leitartikel
Anschlag in Syrien

Ein Schlüssel liegt in Damaskus


Von Reinhard Brockmann
Anschläge auf US-Botschaften ziehen seit der Geiselnahme in Teheran 1979 eine blutige Spur durch den Nahen Osten. So gesehen, ist der gestrige Angriff auf die Vertretung in Damaskus nicht einmal besonders außergewöhnlich. Allerdings: Syrien ist nach dem Ende des Libanonkrieges, insbesondere nach der für alle erkennbar gewordenen Unfähigkeit Israels, Feinde dauerhaft abzuschrecken, Ausgangspunkt für diplomatische Schritte.
Drei führende Politiker aus dem Europaparlament, darunter der Bielefelder Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses Elmar Brok, haben erst letzte Woche eine Initiative gestartet mit dem Titel: »Der Weg zum Nahost-Frieden führt über Damaskus.«
Die gemeinsame Aktion von EU-Außenpolitikern, Israel-Experten und Menschenrechtskomitee ist derzeit mitnichten die einzige Stimme, aber gerade sie breitet europaweit Möglichkeiten aus, die eine Perspektive jenseits der Gewalt eröffnen.
Syrien unter Präsident Baschar al-Assad ist zuallererst ein Polizeistaat, der Islamisten fürchtet, nach dem Ende des irakischen Regimes nur noch in Teheran Verbündete findet und mit der Hisbollah im Südlibanon einen Zauberlehrling an der langen Leine führt, der selbst dem Meister in Damaskus mitunter ungeheuerlich erscheint. Aber solange das Regime seinen großsyrischen Anspruch und sein all-arabisches Eintreten für die Belange der Palästinenser nicht anders darstellen kann, wird es bei Waffenlieferungen an Scheich Nasrallah, Rückzugsräumen für islamistische Irak-Kämpfer und Säbelrasseln gegenüber dem Westen bleiben.
Der Anschlag von gestern ruft der Welt in Erinnerung, dass die USA seit dem syrischen Auftragsmord an Libanons Präsident Rafik Hariri keinen Botschafter mehr in Damaskus haben. Gerade jetzt ist es Aufgabe der Diplomatie, Washington und Tel Aviv zu direkten Gesprächen mit Syrien zu bewegen. Wer anders, als die Europäer könnte diese Brücke bauen?
Auch wenn Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gerade noch auf dem Weg nach Damaskus abdrehen musste, weil der junge Präsident dem Krieg der Islamisten das Wort redete, sehen die Europäer, auch die Zwickmühle in der Baschar al-Assad steckt.
Das Massaker seines Vaters an 38 000 Sunniten hängt dem Sohn nach. Auch die interne Unterdrückung jeder Idee von Gottesstaat macht Allianzen mit den Theokraten im Iran wie den vermeintlichen Bombenlegern von gestern oder auch mit dem Hisbollah-Staat im Südlibanon an sich unmöglich.
Die unbeantwortete Schlüsselfrage für Brok lautet: Was hat Assad vor mit dem Libanon? Man weiß es nicht, vielleicht nicht einmal der isolierte Syrer selbst. Wenn es gelänge, ihn an einer konstruktiven Lösung zu beteiligen, in der Assad für die Hamas und die palästinensische Sache etwas aushandeln kann, müsste al-Assad bereit sein, sich einbinden zu lassen. Das Geflecht wird helfen den Nicht-Krieg zum Frieden stabilisieren.

Artikel vom 13.09.2006