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Merkel mahnt Gewährung
der Pressefreiheit in China an

Ministerpräsident Wen Jiabao lehnt Sanktionen gegen den Iran ab

Berlin/Peking (dpa/Reuters). Unmittelbar nach einem Zensurerlass der chinesischen Regierung hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Gewährleistung von Pressefreiheit in China angemahnt.
Gerade bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking werde eine freie Presse »ein ganz wichtiger Punkt« sein, sagte Merkel gestern nach einem Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao in Berlin.
Merkel betonte, sie habe deutlich gemacht, dass die Menschenrechte »unveräußerlich sind und überall gelten«. Wen erklärte daraufhin, auch die chinesische Regierung lege großen Wert auf den Schutz der Menschenrechte.
Bei ihrem Treffen erörterten Merkel und Wen auch den Streit über das iranische Atomprogramm. Dabei bekräftigte der Gast aus China seine Bedenken gegenüber etwaigen Sanktionen gegen Teheran. Ziel sei eine friedliche Lösung der »Iran-Atom-Frage«. Sanktionen führten aber nicht unbedingt zu diesem Ziel, sondern möglicherweise zu einem gegenteiligen Ergebnis.
Mit Blick auf eine geplante UN-Mission in der sudanesischen Krisenprovinz Darfur betonte Wen, sein Land unterstütze die Truppenentsendung der Vereinten Nationen nach Darfur. Allerdings hoffe China auf eine Einwilligung der Afrikanischen Union und der sudanesischen Regierung.
Beide Politiker lobten das bilaterale Verhältnis. Merkel sprach von »engen, intensiven und sehr guten« Beziehungen. Nach Angaben Wens wird das Handelsvolumen von 70 Milliarden US-Dollar (ca. 55 Mrd. Euro) im Jahr 2005 in diesem Jahr voraussichtlich auf 80 Milliarden Dollar steigen.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) hatte allerdings zuvor das Ungleichgewicht in der deutsch-chinesischen Handelsbilanz kritisiert und gewarnt: »Ende dieses Jahres dürfte das deutsche Handelsbilanzdefizit 20 Milliarden Euro deutlich überschreiten.«
Wen war am Vormittag von Bundespräsident Horst Köhler empfangen worden und hatte dabei eine Einladung von Chinas Staatspräsident Hu Jintao überbracht. Voraussichtlich wird Köhler im kommenden Jahr ins Reich der Mitte reisen. Anlässlich des Deutschlands-Besuches wurden gestern acht Abkommen unterzeichnet, darunter eine Vereinbarung für die Kooperation in der Medizinwirtschaft und der Biotechnologie sowie Abkommen über die Gewährung von Export-Kundenkrediten und über den deutsch-chinesischen Jugendaustausch
Nach massiver Kritik aus der deutschen Wirtschaft will die chinesische Führung das Problem Produktpiraterie und Technologiediebstahl angehen. Am Rande des Treffens von Angela Merkel mit Wen Jiabao wurde gestern in Berlin unter anderem eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet.
Im Kampf gegen den Diebstahl geistigen Eigentums wird das Deutsche Patent- und Markenamt in den nächsten Jahren chinesische Prüfer ausbilden.
China hat seinen Zensurerlass und die alleinige Kontrolle des Vertriebs von Nachrichten aus dem Ausland durch die staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua verteidigt. Die heftige Kritik im Ausland führte der Vizeminister für Presse- und Publikationen, Liu Binjie, gestern bei einer Pressekonferenz in Peking auf »Missverständnisse« zurück. Die Vorschriften bestätigten nur, »was wir in der Vergangenheit getan haben«, verwies der Vizeminister auf einen Erlass von 1996. Dieser enthielt allerdings noch keine Zensurvorschriften und erlaubte vielmehr den direkten Vertrieb ausländischer Finanznachrichten an chinesische Kunden. Internationale Nachrichtenagenturen dürfen nach den neuen Bestimmungen selbst keine Kunden mehr in China anwerben, müssen über die Staatsagentur verkaufen und ihre Nachrichten jetzt selbst zensieren.
Es dürfen keine Informationen geliefert werden, »die die staatliche Sicherheit, das Ansehen und die Interessen Chinas gefährden«. Nicht erlaubt sind Nachrichten, die Chinas »wirtschaftliche und soziale Ordnung stören«, »die soziale Stabilität gefährden« oder die »schönen kulturellen Traditionen der chinesischen Nation« untergraben.
Die USA, die Europäische Union und internationale Organisationen, die sich für Pressefreiheit einsetzen, hatten sich sehr besorgt über die neuen Regeln geäußert, die als Teil der verschärften Kontrolle chinesischer Medien gesehen werden. Seite 4: Leitartikel

Artikel vom 15.09.2006