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Die Formel 1 sucht
einen neuen Helden

Michael Schumacher: »Beide Titel sind greifbar nahe«

Monza (dpa). Fast-Rentner Michael Schumacher war auch am Tag nach seinem Befreiungsschlag von Monza noch tief bewegt. »Ich bin dankbar, dass ich mit einem Sieg meinen Abschied verkünden durfte«, erklärte der Ferrari-Star.

Der 37-Jährige gab sich aber auch kämpferisch: »Wir haben noch drei Rennen zu fahren, und diese drei Rennen wollen wir nutzen. Wir haben den Rückstand fast aufgeholt, in der Konstrukteurs-Wertung haben wir Renault nun schon überholt. Beide Titel sind greifbar nahe. Alles andere wird nach hinten verschoben.«
Zwei Ruhetage bei der Familie in der Schweiz, dann zwei Testtage in Le Castellet - Schumacher gibt alles, um sich mit dem achten Titel einen weltmeisterlichen Abgang zu verschaffen. Der in der Fahrerwertung noch zwei Punkte vor ihm führende Spanier Fernando Alonso und sein Renault-Team witterten angesichts der Aufholjagd eine Verschwörung.
»Wir haben verstanden, wie die Dinge laufen - es ist alles bereits entschieden worden. Sie haben entschieden, den WM-Titel Schumacher zu geben und so wird es auch kommen«, wetterte Teamchef Flavio Briatore Richtung Weltverband FIA. »Im Vergleich zu dem, was in der Formel 1 passiert, bringt mich der Fußballskandal zum Lachen.« Später wollte der Italiener seine Bemerkungen als Witz verstanden wissen, denn die FIA könnte sein Team noch einmal bestrafen.
Derweil wird über eine Formel 1 ohne Schumacher philosophiert. Vor allem in Deutschland bedeutet sein Abschied eine Zäsur. »Damit wird - wenn ich das scherzhaft sagen darf - mein bester Außendienstmitarbeiter in Rente gehen«, meinte Walter Kafitz, Geschäftsführer des Nürburgrings. Ein Pilot, der auch nur annähernd in seine Fußstapfen treten könnte, ist nicht in Sicht. »Ich glaube, wir haben sehr viele und gute deutsche Rennfahrer. Nick Heidfeld zeigt ja gerade, was er mit einem guten Auto leisten kann. Wir haben mit Sebastian Vettel einen neuen Nachwuchsfahrer«, sagte Schumacher. Seinen Bruder Ralf und Nico Rosberg erwähnte er nicht.
Ohne Lokalhelden mit Titelchancen wird es auch für den übertragenden deutschen Free-TV-Sender RTL schwer, die Einschaltquoten zu halten. Zahlen wie am Sonntag, als 8,40 Millionen Zuschauer erst Schumachers Sieg und dann noch 7,71 Millionen die Rücktrittserklärung verfolgten, wird es 2007 wohl kaum noch geben. Im kommenden Jahr läuft der Vertrag aus. »Auch ohne ihn bleibt die Formel 1 eine Top-Marke, die aus deutscher Sicht mit drei Top-Piloten und dem Riesentalent Sebastian Vettel sehr gut aufgestellt ist. Wir sind deshalb optimistisch«, meinte RTL-Sportchef Manfred Loppe.
Fast unbemerkt vom Trubel um Schumacher begann in Monza möglicherweise eine neue große Karriere. Der Pole Robert Kubica fuhr hinter dem Deutschen und Noch-McLaren-Mercedes-Pilot Räikkönen als erster Osteuropäer auf das Podium - bei seinem dritten Grand-Prix-Einsatz. »»Der König ist tot, es lebe der König! König Kubica!« schrieb die polnische Zeitung »Super Express« über den 21-Jährigen BMW-Sauber-Piloten, der auf den Titelseiten der Zeitungen in seiner Heimat sogar Schumacher verdrängte.

Artikel vom 12.09.2006