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Sei fleißig, angepasst und schön!

Die perfekte Hausfrau und Mutter sein, das ist nicht alles!
Von Beate Maxian


Brigitte ist eine Frau, die mich schon lange fasziniert. Sie ist immer gut frisiert, trägt täglich Make-up und ihre Kleidung ist tadellos. Ich hingegen schaffe es gerade, meine Schuhe zuzubinden und meine zwei Kinder durchzuzählen, bevor ich das Haus verlasse.

Unsere Kinder gehen gemeinsam in den Kindergarten. Weshalb wir einander jeden Tag Punkt halb neun Uhr in der Garderobe treffen. Ich bin dann zumeist damit beschäftigt, meinem Sohn irgendwie die Hausschuhe an die Füße zu schnallen, ihm gleichzeitig das T-Shirt zum fünften Mal in die Hose zu schieben und die Frühstücksreste von seinen Augenbrauen zu kratzen. Während meine Tochter in voller Montur hinter mir steht und in Sekundenabständen schreit: »Mir ist heiß!«
»Dann zieh dir doch schon mal den Mantel aus«, schlage ich vor. »Nein das machst du«, kommt es trotzig.

»Tja, die Kinder«, sagt Brigitte dann milde lächelnd. Ihre Tochter steht natürlich längst im neuen Benetton Outfit, mit den Hausschuhen an richtiger Stelle und sauberen Fingernägeln, startklar vor dem Gruppenraum. Und die Kindergärtnerin, wohl wollend auf Klein Gabi blickend, wirft mir diesen »mein Gott bist du unfähig« Blick zu.

»Buben sind leider etwas wilder als Mädchen«, sagt Brigitte in meine Richtung. Ich nicke und hoffe, dass Brigitte mein Töchterchen nicht bemerkt, das gerade dabei ist, ihre Hände bis zu den Ellenbogen im Erdreich der Yucca-Palme zu versenken.
Zu spät!

Schon schüttelt »Miss Etepetete« den Kopf, sieht mich mitleidig an, zuckt die Achseln und verschwindet, wie jeden Morgen adrett und perfekt. Aus zuverlässiger Quelle weiß ich, dass Brigittes Heim ebenfalls adrett und perfekt aussieht. Kein Krümelchen beschmutzt ihren Boden, kein Fleckchen ihre Möbel. Schön und sauber, so wie sie selbst und ihr Kind.

Lange denke ich nicht darüber nach, denn meine Tochter ist gerade dabei mir die nasse Erde auf die Jeans zu schmieren und mich zeitgleich zu fragen: »Die Mami von der Gabi hat aber schöne lange blonde Haare. Warum hast du die nicht?«
»Weil ich intelligent bin«, knurre ich leise und sage: »Weil ich halt kurze dunkle Haare habe!«

Irgendwie überstehen meine Kinder und ich diesen allmorgendlichen Wahnsinn unbeschadet. Die Erde ist biologisch, sprich mit Wasser, abbaubar. Ich stehe Punkt neun Uhr auf dem Parkplatz vor meinem Büro. »Morgen mache ich es anders. Morgen stehe ich früher auf, mache mich zurecht, wecke meine Kinder rechtzeitig und erscheine sauber im Kindergarten.« Diese Lüge muss sich der Rückspiegel meines Autos jeden Morgen gefallen lassen, während ich mir noch schnell die Wimpern tusche.

Jetzt verlange ich ja keinen Perfektionismus. Beruf-Haushalt-Kinder, das funktioniert nur in Filmen und Hochglanzmagazinen. Aber trotzdem will ich nicht mehr den schwarzen Fleck auf meiner weißen Bluse erst in letzter Sekunde entdecken. Ich will nicht über drei Matchboxautos und Roller-Skates fallen, wenn ich das Haus betrete.
Ich will, so wie Brigitte, saubere Kinder, eine ordentliche Kleidung und Lavendelduft in meiner Wohnung, mit Blumen auf dem Tisch, statt Nutellaflecken auf der Küchenablage.

Mein angetrauter Gatte soll die Frau mit der sprühenden Energie wieder sehen, die ich, zwischen zwei Schwangerschaften und einem neuen Job, verloren habe. Denn immerhin spricht er den japanischen Faltenhund unseres Nachbarn inzwischen mit »Hallo Liebling«, an.

»Es liegt an deiner Schlamperei«, sagt meine Mutter und blickt dabei vorwurfsvoll auf das Chaos, das manche auch Wohnung nennen. »Es liegt an deiner Unorganisiertheit«, sagt mein Vater, während er zum dritten Mal dieses Monats meine Glühlampen wechselt. »Es liegt daran, dass du dir einfach zuviel aufbürdest«, sagt mein Mann und drückt mir seine schmutzigen Jeans in die Hand. »Es liegt daran, dass uns jeder erklärt, wie wir zu leben haben«, sagt meine Freundin, deren vier Monate alte Tochter Spinatflecken auf ihren Pulli gezaubert hat.
Ich liebe diese Kleine dafür.

»Es liegt an der Emanzipation«, sagt mir ein Frauenmagazin, dass ich lese, während ich darauf warte, dass ein Arzt die Platzwunde auf der Stirn meines Sohnes näht.
Und aus dem mir wieder einmal eine Powerfrau im Designerkostüm entgegen lacht. Ein Kind im Arm, in der anderen Hand den Aktenkoffer und im Kleingedruckten ein Au-pair-Mädchen und eine Haushälterin.

Nun, eigentlich liegt es daran, dass ich fast täglich orientierungslos zwischen Büro, Wäscheleine, Arztterminen, Elternsprechtagen und versuchter Perfektion hin und her laufe. Immer verfolgt vom schlechten Gewissen und dem Fluch, der uns Frauen und vor allem Müttern in die Wiege gelegt wird: Sei fleißig, angepasst und schön!

Aber eigentlich ist es egal woran es liegt. Ich werde es nie schaffen eine perfekte Hausfrau und Mutter zu sein und in Wirklichkeit will ich es auch gar nicht. Ich habe ein Recht darauf, unordentlich, chaotisch, kindisch und einfach nur ich zu sein. Ohne Putzlappen und Fleckenmittel in der Hand. Denn meine Kinder finden: Ich bin die beste Mutti auf der Welt! Und eigentlich ist es gerade das, was zählt!

Egal, was alle anderen denken.

Artikel vom 16.09.2006