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Liebe allein lässt Mütter die viele Arbeit in der Familie leisten

Mutterschaft ist für mich tatsächlich etwas ganz Normales
Von Lorena Hattler


Von Rabenmüttern, Familienmanagerinnen und anderen Arten, Mutter zu sein, ist seit einiger Zeit viel zu hören und zu lesen. Die Aspekte Partnerin und Hausfrau sind immer eingeschlossen. Was aber bedeutet Mutterschaft für die Mütter ganz konkret? Oder besser gefragt: Wie stelle ich mir eine gute Mutter vor? Wie sehe ich mich als Mutter? Jede Frau, die Mutter wird oder ist, wird sich darüber früher oder später Gedanken machen. Bei mir geschah dies intensiv das erste Mal während der ersten Schwangerschaft. Seitdem immer wieder. Mein eigenes Muttersein empfinde ich als ganz unspektakulär.

Ich habe ein Lehramtsstudium absolviert, bin verheiratet und habe zwei Kinder (4 und 1). Angesichts des Alters der Kinder finde ich eine Berufstätigkeit unpassend, auch wenn ein weiteres Einkommen für unsere junge Familie sehr hilfreich wäre. Das Problem haben die meisten Familien in unserem Viertel so nicht. Dort können es sich die Mütter eher leisten, sich ganz den Kindern zu widmen. Ich habe auch keine Nebenbeschäftigung, bin also »nur« daheim.

Dieses »nur« umfasst, wenn ich die Herausforderung als Familienmanagerin ernstnehme, einen 24-Stundenjob sieben Tage die Woche. Derzeit darf ich von den 24 Stunden ein paar Stunden abziehen, denn momentan schlafen meine Kinder gut und auch durch. Das kann sich aber jederzeit ändern. Trotzdem heißt es für mich nach alter Pfadfinderregel: Allzeit bereit. Denn mein Mann schläft im Gegensatz zu mir sehr tief. Zu 90 Prozent stehe ich also nachts auf, wenn Not an dem kleinen Mann oder der kleinen Frau ist.

Für mich ist Mutterschaft etwas ganz normales, auch diese Art Bereitschaftsdienst an der Familie. Dabei ist viel Organisationstalent gefragt, um den vielen Aufgaben und Verantwortungen gerecht zu werden. Dennoch empfinde ich den gerne angeführten Vergleich von Mutter und Managerin nicht ganz zutreffend. Es fehlt das hohe Gehalt, die gesellschaftliche Anerkennung und jede Aussicht auf Beförderung. Sie machen den öffentlichen Glanz der Manager in der Wirtschaft aus. Gesellschaftliche Anerkennung bezieht sich zunehmend nur auf wirtschaftlichen Erfolg. Der Vergleich dient daher wohl nur dazu, den Frauen Mutterschaft besser verkaufen zu können. Nach dieser Logik geht die Nur-Mutter das Risiko ein, in der sozialen Anerkennung zu sinken. Nun gut, ich bin es gern eingegangen.

Meine eigenen Kinder selbst versorgen und erziehen, ihre Entwicklung selbst fördern und begleiten, zur Ausgeglichenheit meines Mannes beitragen, in die Harmonie in der Familie investieren, das alles ist für mich persönlich deshalb eine Selbstverständlichkeit, wenn ich mich für das Muttersein entschieden habe. Dabei manage ich, managt jede Mutter das Wichtigste und Wertvollste - die Nr. 1 auf der Prioritätenliste der Familie.

Für die Kinder zu sorgen und sie selbst groß zu ziehen, ist für mich persönlich etwas vollkommen Natürliches und Normales, das es immer gegeben hat und immer geben wird. Es scheint uns schon in den Genen mitgegeben zu sein. Als wir unserer Ältesten mitteilten, dass sie bald ein Geschwisterchen bekommt, war sie Feuer und Flamme. Sofort hatte sie sich mit ihrer neuen Rolle als große Schwester identifiziert und verkündete, auf alle Brüderchen und Schwesterchen und Brüderchen und Schwesterchen und Brüderchen und Schwesterchen etc. gut aufzupassen und ihnen das Fläschchen zu geben.

»Was für
Menschen meine Kinder werden,
hängt zu einem großen Teil von
mir ab. Kleine
oder große
Freuden bestätigen das.«
    Was für Menschen meine Kinder werden, hängt zu einem großen Teil von mir ab. Kleine oder große Freuden bestätigen das. So z.B. als ich miterleben konnte, wie unsere Tochter nach unserem Umzug in ihrem neuen Kindergarten von allen Kindern sofort gut aufgenommen wurde. Wenn wir etwas später kamen wurde sie schon von ihren Freundinnen erwartet und war bereits für das Mutter-Vater-Kind-Spiel eingeplant; mit ständig wechselnden Rollen. Ich weiß also sehr wohl, wie wertvoll, wichtig und verantwortungsvoll das Muttersein in meinem Leben ist.

Diese meine eigene Auffassung hängt wohl damit zusammen, wie meine Mutter war und ist. Sie hat in voller Aufopferung ihrer selbst bis zur Erschöpfung für mich und meine drei Schwestern gearbeitet und war immer für uns da und ist es noch. Dafür kann ich ihr nicht genug danken. Fenster, Spiegel und Böden waren geputzt, die Wäsche stets gebügelt und fein säuberlich zusammengelegt, mittags wurde immer pünktlich gegessen und der Abwasch stets unmittelbar erledigt - meistens von ihr alleine. Die Pflanzen waren grün, die Betten gemacht, die Zimmer aufgeräumt, das Bad sauber, der Küchenboden gefegt. Nebenher hat sie noch nachmittags gearbeitet, Westen gestrickt, Kleider genäht, Hosen und Strümpfe geflickt.

Heute frage ich mich oft, wie sie das alles hingekriegt hat mit uns vier Kindern. Bei mir wartet, während ich diese Zeilen schreibe, seit Tagen Wäsche darauf, endlich mal ordentlich zusammengelegt und gebügelt zu werden. Heute wird wohl wieder nichts daraus. Wenn ich an sie denke, fallen mir oft einige Zeilen aus einem Gedicht ein, das ich ihr in meiner Grundschulzeit zum Muttertag abgeschrieben habe: »... meiner Mutter Hände sind von der Arbeit schwer, dennoch streicheln sie so lind, wie keine anderen mehr... «

Ich wünsche mir manchmal mehr von ihrer Opferbereitschaft. Ich empfinde manchmal einen Zwiespalt zwischen den Mutterpflichten und anderen Wünschen, die zurückgeschraubt werden müssen. Vor kurzem habe ich meine Nachbarin beneidet, als sie mit ihrer Mutter acht Stunden beim Shoppen in der Stadt war, während das Aupairmädchen auf ihren Sohn aufpasste. Von weniger trivialen Vergnügen ganz zu schweigen. Auch sie muss man aber organisieren. Organisation ist - da stehe ich zu meinen italienischen Wurzeln - nicht meine Stärke. Für eine Mutter, Hausfrau und Partnerin ist sie jedoch unerlässlich. Nicht nur um besondere Wünsche und Abwechslungen zu realisieren. Da bin ich schon damit zufrieden, etwa in Ruhe die Zeitung oder ein Magazin zu lesen. Oft gilt es jedoch auch darauf zu verzichten. Wenn nicht, genieße ich diese kurzen Zeiten aber umso mehr.

Jede Mutter wird mir bestätigen, dass einer der schönsten Momente im Leben der ist, nach den Qualen der Geburt das eigene Kind in den Armen zu halten. Mein Mann sagt, dass es für ihn die glücklichsten Augenblicke sind, wenn die Kinder fröhlich sind und lachen. Und das gehört natürlich auch zu den Freuden einer Mutter. Mutterschaft hat mit Liebe zu tun. Diese allein jedenfalls lässt mich die Arbeit leisten.

Artikel vom 16.09.2006