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Wo das Lachen
erlaubt ist...

Schauspiel-Premiere in Bielefeld

Von Burgit Hörttrich
Bielefeld (WB). Ohne Happyend, aber durchaus komisch: Mit »Fettes Schwein« hat das Theater Bielefeld die Spielzeit im kleinen Haus eröffnet.
Katja-Marie Luxembourg und Thomas Wehling.Foto: Stadttheater

Helen isst in der Mittagspause »drei große Stücke Pizza, Knoblauchbrot, einen kleinen Salat und natürlich Nachtisch«. Helen ist dick, aber sie steht dazu. Sie ist Bibliothekarin, intelligent, kennt das Leben. Tom isst in der Mittagspause Sprossen (»mit Hühnerfleisch!«). Er spielt Basketball, ist ein Yuppie wie aus dem Bilderbuch, strampelt auf dem Laufband (des Lebens), um den Anschluss nicht zu verlieren. Die beiden. Zusammen. Kann das gutgehen? Nein. Und damit sei das Ende der Tragikomödie von Neil LaBute verraten.
Gut, jedem Anfang liegt ein Zauber inne - diesem Anfang auch und trotzdem: Dass es kein Happyend gibt, ist schon bei der ersten Begegnung klar. Helen, gespielt von Katja-Marie Luxembourg, die, obwohl sie doch gemessen an gängigen Normen das Opfer sein sollte, behält die Oberhand. Luxembourg, durch einen Achillessehenriss allenfalls beim Schlussapplaus gehandicapt, scheint ihr Leben - Essen inklusive - zu lieben. Für Tom wäre sie dennoch bereit, alles zu ändern. Tom, den Thomas Wehling als einen Zerrissenen gibt zwischen seiner Liebe zu Helen (»Ich habe mich noch nie so wohl gefühlt«), Anspruch (»Ich wäre gern ein besserer Mensch«) und den Wertigkeiten der schillernden Geschäftswelt und den Maßstäben, die die Kollegen Carter und Jeannie anlegen, versagt.
»Fettes Schwein« ist die Geschichte von Tom, nicht die Tragödie Helens. Die Liebe funktioniert nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Jeannie - Nicole Paul als abgelegte Geliebte und Kollegin, die pausenlos über »alles« reden will und die jede Handlung Toms auf ihre einstige Affäre bezieht - und Carter (Oliver Baierl) fühlen sich angegriffen von Helen, deren Aussehen so gar nicht ihren Vorstellungen entspricht. Oliver Baierl als Carter gibt sich als Freund, nutzt in der Firma aber jede Chance, Tom mies zu machen - und spricht dabei so manches aus, das einem durchaus an die eigene Nase fassen lässt.
Regisseur Christian Schlüter hat das von einem Amerikaner geschriebene Stück amerikanisch bleiben lassen: Der Körper als sozialer Marktwert - das ist aber global. Julia Hattstein hat eine höchst schlichte, aber überaus wandlungsfähige Bühne entworfen: Aus einem Schnellrestaurant wird ein Büro, ein Schlafzimmer, ein Strand. Auch ohne Happyend: Lachen ist erlaubt. Zumal einem die Dialoge sehr bekannt vorkommen. . .

Artikel vom 11.09.2006