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Heimatbesuch des Papstes als Reise in ein schwieriges Land

Benedikt XVI. will die Freude am Christentum in Deutschland neu erwecken

Von Peer Meinert
Rom/München (dpa). Deutschland gilt im Vatikan als ein eher »schwieriges Land«, gezeichnet vom Geist der Moderne und der »Gottesferne«, noch dazu Hochburg des Protestantismus - das »Land Luthers« eben. Niemand weiß das besser als der Papst, selbst vor seinem an diesem Samstag beginnenden Besuch in Bayern machte er daraus kein Hehl.

»Das Grundthema ist, dass wir Gott wieder entdecken müssen«, meinte Benedikt XVI. kürzlich im Fernsehen. Und eines scheint sicher: Ein reiner »Heimatbesuch«, ein »gemütliches Zusammensein« im trauten bayerischen Kreis wird der Besuch kaum werden.
Bequem waren die Botschaften des Joseph Ratzinger schließlich noch nie gewesen: Kaum ein anderer Theologe von Weltrang spricht die brennenden Fragen der Kirche und des Glaubens in unserer Zeit so ungeschminkt, so scharfsinnig an wie der Mann aus Marktl am Inn. Eine Welt, in der die »Gottesfrage ausgeklammert« ist, eine Welt ohne Glauben und ohne religiöse Dimension - das ist die Schreckensvision, die den Bayern schon seit langem umtreibt. »Das ist das Kernproblem, das in Ratzinger tiefe Furcht auslöst«, meint ein Theologe in Rom. »Und davon wird er auch in Bayern reden«.
Der Papst selbst erklärte wenige Tage vor seiner Ankunft in einer persönlichen Botschaft an die Münchner Katholiken, er wünsche sich von Herzen, dass sein zweiter Besuch in Deutschland die Freude am Christentum neu wecken könne. Zugleich machte Benedikt darin deutlich, wie sehr er sich auf den Besuch in seiner bayerischen Heimat freut: »Mir ist in den römischen Jahren und noch einmal verstärkt nach meiner Wahl zum Nachfolger Petri soviel Zuwendung gerade aus Bayern zuteil geworden, die ich nun dankbar und von ganzem Herzen erwidern möchte.«
Im Bemühen um neue Glaubensimpulse mutet sich der Mann aus Rom einiges zu: 17 Termine an sechs Tagen, allein sechs Messen und Gottesdienste, diverse Treffen mit Gläubigen, Ansprachen an der Universität Regensburg und vor Priestern in Freising - ein wahres Mammutprogramm für einen bald 80-Jährigen.
Dabei hat es der neue Papst seit seiner Wahl im April 2005 bisher geradezu erstaunlich verstanden, Aufgaben zu delegieren und sich wenigstens ein wenig zu schonen. Nur bei seinem Heimatbesuch gönnt er sich keine Ruhe. »Auch das zeigt, wie wichtig ihm die Botschaft an das eigene Land ist«, heißt es im Vatikan.
»Glauben ist schwierig geworden«, lautet denn ein eher düsterer Kernsatz im »historischen« Papst-Interview von ARD, ZDF, Deutscher Welle und Radio Vatikan. Man erlebe heute im Westen »eine neue Welle einer drastischen Aufklärung«, klagt Benedikt, es gebe eine »Kälte gegenüber Gott«. Der Schlüsselsatz des Gesprächs lautet: Christentum sei nicht für »die Mottenkiste der Geschichte« bestimmt - schon bemerkenswert, dass dies ein Papst vor seinem Deutschlandbesuch eigens betonen muss.
Dabei wollte sich der Papst doch überhaupt mit dem Reisen zurückhalten, hieß es zu Beginn seines Pontifikats in Rom. Und tatsächlich gab es im ersten Jahr 2005 nur einen einzigen Auslandstrip, zum Weltjugendtreffen nach Köln. Er fühle sich nicht mehr stark genug, »um noch viele große Reisen anzuzetteln«, bekannte Benedikt unlängst. Zeitweise schien es sogar, dass die Pilgerfahrt an die Stätten der Jugend zu einem eher kurzen Ausflug werden könnte. »Doch dazu liegt dem Heiligen Vater die Heimat zu sehr am Herzen«, meinte ein Vatikan-Insider. Gerade hier müsse er seine Botschaft an den Mann bringen - gerade weil Deutschland in Glaubensfragen doch ein »schwieriges Land« ist.

Artikel vom 09.09.2006