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Tünsels Suche nach dem Wechkommen

Parlamentarischer Westfalen-Abend zwischen Standort und Standpunkt

Kabarettist Wiglaf Droste bereicherte den »Westfalen-Abend«.
Von Reinhard Brockmann
Berlin (WB). Der Westfale ist Tünsel, nicht unbedingt ein Dummkopf, aber einer der wulacken kann und nie vergisst, wo er »wech«-kommt: Das hat auch Wiglaf Droste (45), von dem diese Erkenntnis stammt, nicht vergessen - 23 Jahre nachdem er Herford den Rücken gekehrt hat. In Berlin, wo Droste heute den »Westfalien Alien« in der Literatur- und Kleinkunstszene zu bewahren hilft, hieß es am Mittwochabend dampfplaudern und zugleich knallharte Standortpolitik machen.
Die Westfalen-Initiative aus Münster hatte in die Bertelsmann-Repräsentanz, Unter den Linden 1, geladen zum Parlamentarischen Abend. Auch drei der 17 Bundestagsabgeordneten aus OWL schauten vorbei an der ersten Adresse der Westfalen. Für die OWL-Marketing-Initiative zeigten Geschäftsführer Herbert Weber und sein oberster Gesellschafter Wilhelm Krömer Flagge. »Alles was Westfalen dient, ist auch gut für Ostwestfalen-Lippe«, sagte der Landrat aus Minden-Lübbecke und vernahm mit westfälisch-verschmitztem Blick, dass man in Münster soeben begonnen hat, an einer gemeinsamen Dachmarke für ganz Westfalen zu arbeiten.
Statssekretär Peter Paziorek steckte dann auch gleich den - von Münster aus gesehen - größeren Rahmen ab: Sauerland, Münsterland, Ostwestfalen-Lippe und östliches Ruhrgebiet. Westfälisches Rammentern und bedrohliches Grummeln ließ die Versammlung hören, als die Düsseldorfer Pläne für einen Ruhrgebietsbezirk laut wurden. Manfred Scholle, Ex-Landschaftsverbands-Direktor und heute erster Gelsenwasserwerker, kündigte »parteiübergreifendes Gehen auf die Straße« an. Und Nach-Nachfolger Wolfgang Kirsch verkündete stolz, alle seine 1300 Dienststellen und Unterabteilungen würden ganz bald unter einem Logo Druck machen: »LWL, soll heißen: Lasst Westfalen leben!« Auch Ex-Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer wusste hinzuzufügen, dass der Westfale eine besondere Spezies sei mit nur einer Schwäche, nämlich seine Stärken schamhaft zu verstecken.
Aufällig, wenn es konkret wurde, kam OWL ins Spiel. Die bundesweit beachtete Modellregion zum Bürokratieabbau wurde gerne erwähnt und auch Karl-Heinrich Sümmermann, Vorsitzender der Westfalen-Initiative, signalisierte, dass es weniger zu bündeln gebe, wenn es die OWLer nicht hätte. Ansonsten leitete er zum gemütlichen Teil über und riet bei Schnittlauch, Schmand, Pumpernickel und Beerengrütze Westfalen weiter auf der Spur zu bleiben, zumal Berlin reichlich Anküpfungspunkte zur Selbstfindung biete.
Nicht zur Sprache kam an diesem Abend jene Karte vom einstigen »Königreich Westphalen«, die gleich gegenüber im Deutschen Historischen Museum gezeigt wird. Das 1807 geschaffene Reich unter König Jerôme erstreckte sich von Rietberg (um Lippe einen Bogen schlagend) bis nach Stendal. Münster hatte Napoleon glatt übersehen.

Artikel vom 08.09.2006