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Nach Schüssen auf Kaufmann
Mordverdächtige in U-Haft

41-Jähriger erschossen - Opfer hinterlässt drei Kinder - Motiv unklar

Von Christian Althoff
Bielefeld (WB). Mit zwei aufgesetzten Schüssen ist am Donnerstagabend der Bielefelder Kaufmann Frank W. (41) in der Firma Piepenbrock an der Artur-Ladebeck-Straße 177 hingerichtet worden. Nach WESTFALEN-BLATT-Informationen soll sich der Mord quasi unter den Augen nichts ahnender Zivilfahnder abgespielt haben. Deshalb konnten die mutmaßlichen Täter bereits sechs Stunden später in Dortmund gefasst werden.

Die Zivilfahnder, die nicht aus Ostwestfalen stammen sollen, hatten am Donnerstag den Russen Dimitry S. (39) und den Deutschrussen Peter J. (29) observiert, die beide in Hessen gemeldet und polizeibekannt sind. Gegen 20 Uhr stoppten die Osteuropäer ihren Wagen vor der Bielefelder Niederlassung der bundesweit tätigen Gebäudereinigungsfirma Piepenbrock. Die Zivilfahnder beobachteten, wie die Männer ausstiegen, das Gebäude an der Artur-Ladebeck-Straße 177 betraten und nach etwa 30 Minuten wieder herauskamen. Als Dimitry S. und Peter J. davonfuhren, hängten sich die Fahnder wieder an deren Wagen - nicht ahnend, dass gerade ein Mord geschehen war.
Kurz vor 21 Uhr wurde Frank W., der Leiter der Piepenbrock-Niederlassung, von seiner Lebensgefährtin blutend in der Teeküche der Firma entdeckt. »Die Täter hatten ihm heimtückisch mit einer Schalldämpferwaffe in den Kopf und in den Rücken geschossen«, sagte Staatsanwalt Christoph Mackel am Freitagabend. Die Lebensgefährtin war schreiend in die benachbarte Sprint-Tankstelle gestürzt, aus der ein Mitarbeiter sofort an den Tatort lief und die blutenden Austrittswunde am Bauch abdrückte. Ein Notarzt reanimierte das Opfer wenig später vor Ort und ließ es in Krankenhaus Gilead bringen. Dort erlag Frank W. trotz ärztlicher Hilfe wenig später seinen Verletzungen, ohne dass er noch etwas über seine Mörder hätte sagen können.
Die Bielefelder Leitstelle löste umgehend eine Großfahndung aus und nannte in ihrem Fahndungsersuchen auch die Tatortadresse. Davon erfuhren im Laufe der Nacht die fremden Zivilfahnder. Sie berichteten der Mordkommission von einer Wohnung in Dortmund, in der die beiden Osteuropäer verschwunden waren. Beamte eines Spezialeinsatzkommandos stürmten das Haus am Freitagmorgen gegen 2.30 Uhr und nahmen Dimitry S. und Peter J. fest. Beide leisteten keinen Widerstand.
Später wurde auch die Tatwaffe, eine Pistole vom Kaliber 7.65 mm, in der Nähe der Autobahn 2 bei Bielefeld entdeckt. Ein Sprengstoffspürhund hatte sie erschnüffelt, nachdem die Zivilfahnder sich erinnert hatten, dass die Osteuropäer die Autobahn bei Bielefeld einmal kurz verlassen hatten - offenbar, um sich der Waffe zu entledigen.
Die Mordverdächtigen wurden zur Vernehmung ins Bielefelder Polizeipräsidium gebracht, machten jedoch keine Aussagen. Am Nachmittag fuhren Kripobeamte die Männer zum Amtsgericht. Die Verdächtigen mussten EinmalOveralls tragen, da ihre Kleidung von der Spurensicherung untersucht wurde. Richterin Ingrid Maatmann gab dem Antrag von Staatsanwalt Christoph Mackel statt und stellte Haftbefehle wegen Mordes aus. Auch gegenüber der Richterin sollen die Tatverdächtigen sich nicht zu dem Mordvorwurf geäußert haben.
»Was uns noch Kopfzerbrechen bereitet ist das Motiv«, sagte Mackel. Das Opfer Frank W. habe ein völlig unauffälliges Leben geführt. Der Kaufmann war früher beim Sicherheitsunternehmen ADS beschäftigt und leitete seit Jahren die Piepenbrock-Niederlassung, die unter anderem für Reinigung und Garderobenservice der Bielefelder Stadthalle und der Seidenstickerhalle zuständig ist. »Wir haben Herrn W. als korrekten, zuverlässigen Partner kennengelernt«, sagte am Freitag Stadthallen-Geschäftsführer Hans-Rudolph Holtkamp. »Die Nachricht von seiner Ermordung hat uns tief erschüttert.«
Frank W. war verheiratet. Er hinterlässt drei Kinder: einen Sohn (5) und zwei Töchter im Alter von neun und zwölf Jahren, die mit ihrer Mutter in einem Reihenendhaus im Bielefelder Süden leben. Das Ehepaar hatte sich vor geraumer Zeit getrennt. Frank W. wohnte zuletzt in Bad Oeynhausen und hatte ein Verhältnis mit jener Mitarbeiterin, die ihn am Donnerstag gefunden hatte. »Im Moment spricht allerdings nichts dafür, dass wir das Motiv im privaten Umfeld suchen müssten«, sagte Staatsanwalt Mackel.

Artikel vom 09.09.2006