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Noch ständig die Bilder vor Augen

Tankstellen-Aushilfe André Denar (21) war als erster Helfer am Tatort

Brackwede (ptr). Schüsse hätte André Denar auch ohne Schalldämpfer nicht hören können, dafür sind die Glasscheiben der Sprint-Tankstelle an der Artur-Ladebeck-Straße zu dick. Trotzdem war der 21-Jährige am Donnerstagabend als erster am Tatort, um Frank W. in der benachbarten Firma Piepenbrock zu helfen. Völlig selbstlos, ohne erst groß darüber nachzudenken, dass er sich damit unter Umständen selbst in Gefahr bringen könnte.

André Denar absolviert derzeit eine Ausbildung in einer Shell-Tankstelle an der Engerschen Straße neben dem Media Markt. Donnerstags steht er von 19 bis 24 Uhr jedoch als Aushilfskraft an der Brackweder Sprint-Tankstelle hinter dem Tresen. »Eigentlich war es ein ganz normaler Abend«, erinnert er sich an den Ablauf seiner letzten Schicht. Gegen 20.30 Uhr sei dann jedoch eine Mitarbeiterin der Firma Piepenbrock in die Tankstelle gelaufen gekommen. »Sie wirkte sehr verstört, hat geschrien, geweint und mich gebeten, einen Krankenwagen zu rufen, ihr Chef sei angeschossen worden«, erzählt Denar.
Nachdem der Anruf getätigt war, lief der junge Mann - ohne die Tankstelle abzuschließen - sofort mit zum Tatort, »um einfach nur zu helfen«. Dort habe Frank W. bis zu den Knien unter seinem Schreibtisch gelegen, der Oberkörper habe sich dort befunden, wo eigentlich der Stuhl hätte stehen müssen. »Er hat sich noch bewegt und geatmet, aber ansprechbar war er wohl nicht mehr«, berichtet der 21-Jährige. An der rechten Körperhälfte sei unterhalb des Brustkorbs ein großer Blutfleck auf dem weißen Hemd sichtbar gewesen. »Einen Kopfschuss habe ich aber nicht bemerkt.« Ein weiterer Helfer aus der Nachbarschaft sei zu Hilfe gekommen. »Der hat dem Verwundeten ein Jackett als Stützte unter den Kopf gelegt, weil er sehr viel Blut gespuckt hat. Ich habe mit einem anderen Jackett versucht, die Wunde am Oberkörper abzudrücken«.
Unmittelbar danach seien auch schon die Polizei und ein Krankenwagen am Tatort eingetroffen. »Die waren unglaublich schnell da - angefühlt hat es sich wie eine knappe Minute.« Überhaupt sei alles enorm schnell gegangen, man habe überhaupt keine Zeit gehabt, groß nachzudenken. »Eigentlich kann ich Blut nicht besonders gut sehen, aber das war in dieser Situation nicht wichtig. Ich habe seitdem nur ständig die Bilder des Abends vor Augen. Das kann man nicht so schnell verdrängen.« Zur Berufsschule ist André Denar am Freitagmorgen jedoch trotz der schlimmen Ereignisse gegangen: »Ich wollte dort nichts verpassen, denn das holt man so schnell nicht wieder auf.«
Besonders schwer sei für ihn die Tatsache, das Opfer als regelmäßigen Kunden der Tankstelle zumindest optisch gut gekannt zu haben. »Der hat hier fast täglich Zigaretten oder auch mal ein Würstchen gekauft. ein ganz netter Kerl. Schade, dass ich in dieser Situation nicht viel mehr für ihn tun konnte.«

Artikel vom 09.09.2006