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Gesundheitsreform vertagt

Ärzte kündigen Streiks an - Streit über Kürzung des Arbeitslosengeldes

Berlin (dpa/Reuters). Die Die große Koalition hat den Start der Gesundheitsreform um drei Monate auf den 1. April 2007 verschoben und damit die Kritik an dem Vorhaben erneut angefacht. Zudem streiten Union und SPD über eine Kürzung des Arbeitslosengeldes.

Vizekanzler Franz Müntefering SPD) betonte gestern, die dreimonatige Verzögerung bei der Gesundheitsreform bedeute nicht, dass die bisherigen Eckpunkte wieder aufgeschnürt würden. »Das ist eine reine Verfahrensfrage.« In der SPD-Linken wurde gleichwohl die Forderung laut, auf den Gesundheitsfonds zu verzichten.
Begründet wurde die Verschiebung damit, dass ein Gesetzentwurf im September nicht mehr zu schaffen sei. Eine Verabschiedung im Bundesrat noch in diesem Jahr sei daher ohne Verfahrensabkürzung nicht mehr möglich gewesen. Offen blieb, ob sich durch die Verschiebung die für 2007 erwarteten Einsparungen von 1,9 Milliarden Euro verringern und die Beitragssatzerhöhung höher ausfallen könnte.
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) betonte im Bundestag, den dreimonatigen Aufschub sollten die Kritiker »nicht als Zeichen begreifen, dass die Reform nicht kommt. »Der Gesundheitsfonds startet 2008«, sagte die Ministerin.
Gegner der Reform in der Opposition und bei Verbänden forderten einen Neuanfang und werteten den Verzug als Ausweis der Schwäche der Koalition. Die Kassenärzte kündigten Proteste gegen die Reform bis hin zu Streiks an.
Weit auseinander liegen die Positionen von Union und SPD bei der Diskussion über den Vorschlag des Sachverständigenrates für eine 30-prozentige Kürzung des Arbeitslosengeldes. Müntefering lehnte das Konzept ab, CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla befürwortete es.
Müntefering sagte, erst kürzlich habe das Bundeskabinett beschlossen, die Sozialhilfe auf 345 Euro festzusetzen. Er sehe nicht, wie man beim ALG II nun unter das Existenzminimum gehen könne. Man könne nicht vier Millionen Menschen die Unterstützung um 30 Prozent kürzen, ohne ihnen zu sagen, wo es Arbeitsplätze gebe.
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla dagegen sagte, der Vorschlag werde in einem entscheidenden Punkt verkürzt diskutiert: Der Abschlag solle nur gelten, wenn ein Langzeitarbeitsloser ein Stellenangebot ausschlage. Beim Kündigungsschutz pochte er entsprechend dem Koalitionsvertrag auf weitere Flexibilisierung.
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD, Klaus Brandner (Gütersloh), wies Pofallas Einwand zurück: Sanktionen gegen Erwerbslose bei Ablehnung eines Jobangebots seien bereits mit der Union gesetzlich beschlossen. Es bestehe deshalb »überhaupt kein Handlungsbedarf«.
Müntefering zeigte sich offen, den Beitragssatz in der Arbeitslosenversicherung stärker als vorgesehen zu senken, sofern sich die Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit (BA) als dauerhaft erweisen sollten. Zum 1. Januar wird der Arbeitslosenbeitrag von 6,5 auf 4,5 Prozent gesenkt. Pofalla drängte den Koalitionspartner dagegen, die für eine zusätzliche Senkung um einen halben Prozentpunkt erforderliche 1 Milliarde Euro aus dem Haushalt zu ermöglichen. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 08.09.2006