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Die Moderne als enttäuschte
Utopie einer besseren Welt

Neue Ausstellung im MARTa-Museum wird am Freitag eröffnet

Von Hartmut Horstmann
und Jörn Hannemann (Fotos)
Ê Herford (WB). Die Zeiten haben sich geändert. Während Modernität und Technik seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend auch unter zivilisationskritischen Vorzeichen gesehen werden, spielten derartige Einschränkungen für viele Kreative zwischen 1914 und 1939 offenbar kaum eine Rolle.

Sie hatten die Vision einer besseren Gesellschaft - zu sehen in der neuen MARTa-Ausstellung »Modernism«, die an diesem Freitag um 18 Uhr eröffnet wird.
Malerei von Piet Mondrian und Fernand Léger, Architektur von Walter Gropius und Le Corbusier, Skulpturen von Marcel Duchamp und Jean Arp: ÊDies sind nur einige Bereiche und Namen von Künstlern, die in der etwa 400 Exponate umfassenden Ausstellung Berücksichtigung finden. Erstmals gezeigt wurde die Präsentation im Londoner Victoria and Albert Museum - wobei es dem Kurator Christopher Wilk darum geht, »die Idee der Moderne grundlegend neu zu erschließen und eine Defininition dieses ÊBegriffs anzubieten«.
Der Initiator lenkt den Blick zurück auf die Wurzeln dessen, was der Mensch des 21. Jahrhunderts als Moderne bezeichnet. Dabei will Wilk keinen verbindlichen Stil herausarbeiten, sondern Moderne meint eher eine Geisteshaltung, einen Impuls: »Die Moderne war in gleichem Maße zentraler Bezugspunkt für Architektur,Ê Design und Kunst des 20. Jahrhunderts.«
In verschiedenen Bereichen - und doch miteinander - versuchte die kreative Avantgarde, mit ihren Utopien die Gesellschaft zu verbessern. Dass dieser Aufbruchsgeist einen traumatischen Hintergrund hatte, ergibt sich aus den Zeitumständen. Der Traum von einer besseren Welt ist die künstlerisch verantwortungsvolle Konsequenz nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges.
Klare geometrische Formen prägen die Malerei eines Piet Mondrian und die Architektur des Bauhaus gleichermaßen. Die schnörkelfreie Ästhetik des Funktionalen drückt Êdem Freischwinger-Stuhl eines Alvar Aalto seinen Stempel auf. Groß scheint auch das Vertrauen in die moderne Maschinentechnik gewesen zu sein, wie der Ausstellung zu entnehmen ist.
Zu denen, die frühzeitig die Zeichen der Bedrohung erkannt haben, gehört Charlie Chaplin. Der Mensch im Räderwerk der Maschinen: Chaplins Film »Moderne Zeiten« formuliert die Gegenposition zum Optimismus der Weltverbesserer.
Dass die angestrebte umfassende Utopie gescheitert ist, zeigt auch der Blick auf moderne Siedlungs-Gettos. »Hier sehen wir heute vor allem den schwierigen sozialen Aspekt«, sagt MARTa-Sprecher Nils Vandré. Doch lassen sich Bereiche wie Malerei, Architektur oder Design vom Ansatz her nicht trennen. Allen Beteiligten ging es um eine bessere Welt - schade, dass die Welt den Utopisten nicht gefolgt ist.

Artikel vom 13.09.2006