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Europa-Parlament erzürnt über
Geheimgefängnisse der CIA

Bush verteidigt Lager - 14 Terror-Verdächtige kommen nach Guantanamo

Straßburg/Washington (Reuters). Nach dem Eingeständnis der USA haben EU-Abgeordnete eine sofortige Offenlegung der Standorte der CIA-Geheimgefängnisse in Europa gefordert. Der Europarat bekräftigte gestern seine Kritik an der »schmutzigen Natur dieses Krieges«.
US-Präsident George W. Bush verteidigte die Geheimgefängnisse.
US-Präsident George W. Bush hatte am Vortag erstmals die Existenz der CIA-Gefängnisse eingeräumt, sie aber zugleich verteidigt. Abgeordnete des Europäischen Parlaments in Straßburg richteten ihre Forderung an die Regierungen ihrer Heimatstaaten. »Wir müssen wissen, ob es auf Seiten der Regierungen von EU-Staaten oder Staaten, die nach einer EU-Mitgliedschaft streben, eine Komplizenschaft mit diesen illegalen Taten gab«, erklärte der deutsche Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler, Obmann der europäischen Sozialdemokraten im CIA-Sonderausschuss des Parlaments.
Der Ausschuss untersucht seit Januar die Vorwürfe, die CIA habe in Europa ein Netz an Gefängnissen und geheimen Gefangenentransporten unterhalten und damit gegen das Völkerrecht verstoßen. Der Europarat, der die Einhaltung der Menschenrechte überwacht, hatte in wochenlangen Ermittlungen zahlreiche Hinweise auf dieses Geheim-System gesammelt, aber keine Beweise gefunden. Staaten wie Deutschland, Irland und Großbritannien sollen Transportflügen Zwischenlandungen gewährt haben. Osteuropäische Staaten wie Polen und Rumänien stehen im Verdacht, CIA-Geheimgefängnisse geduldet zu haben.
Bush machte keine Angaben zu den Standorten. Er verteidigte das System mit Nachdruck und sagte, mit seiner Hilfe sei es den USA gelungen, einen weiteren Anschlag zu verhindern. »Dieses Programm hat das Leben Unschuldiger gerettet«, sagte er in seiner Rede im Weißen Haus, die er wenige Tage vor dem fünften Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington ganz dem Thema Terrorismus widmete.
Zugleich gab Bush die Verlegung von 14 Terror-Verdächtigen aus solchen Geheimgefängnissen im Ausland auf den US-Militärstützpunkt Guantanamo bekannt. Darunter sind auch drei Männer, die als wichtige Hintermänner der September-Anschläge gelten. Einige von ihnen sind seit vier Jahren in der Hand der USA. Zu der Gruppe gehören auch der Jemenite Ramzi Binalshibh und der aus Pakistan stammende Khalid Scheich Mohammed.
Ihre Zeugenaussagen hatte die deutsche Justiz vergeblich in Verfahren gegen mutmaßliche Al-Kaida-Komplizen in Deutschland angefordert. Der Bundesgerichtshof hob beispielsweise eine erste Verurteilung des in Hamburg gefassten Mounir al-Motassadeq auf, weil möglicherweise entlastende Angaben der beiden nicht berücksichtigt werden konnten. In einem neuen Verfahren wurde der 31-jährige zu einer deutlich geringeren Strafe verurteilt.
Bush präsentierte die Verlegung der 14 Häftlinge gemeinsam mit einem Anlauf seiner Regierung, die Strafverfolgung für Terror-Verdächtige neu zu regeln. Das oberste US-Gericht hatte die bisherigen Verfahren vor Militärkommissionen vor wenigen Wochen für rechtswidrig erklärt und von der Regierung Bush verlangt, die in Guantanamo festgehaltenen Männer nach dem Völkerrecht als Kriegsgefangene zu behandeln. Bush erklärte, die Gesetzgebung dafür müsse in den kommenden Wochen im US-Kongress oberste Priorität haben. »Wir brauchen dieses Gesetz dringend«, sagte er. Wir müssen sicherstellen, dass die Leute, die Terroristen befragen, weiter alles im Rahmen der Gesetze unternehmen können, um Informationen zu erhalten, die amerikanische Leben schützen können.«
Der von ihm vorgelegte Entwurf sieht weiterhin vor, dass Angeklagte keinen uneingeschränkten Zugang zu geheimem Material haben, das sie belastet. Bush will das Gesetz bis Anfang Oktober verabschiedet haben. Damit würde die Debatte darüber in die Schlussphase des Wahlkampfes fallen, in dem die Republikaner vor allem mit dem Thema Sicherheit punkten wollen. Im November wird das Repräsentantenhaus und ein Drittel des US-Senats neu besetzt.

Artikel vom 08.09.2006