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Bielefelder Babys auf
die Welt geholfen

Gynäkologinnen aus Nowgorod im Klösterchen


Bielefeld (sas). Der erste Tag im »Klösterchen« war für Dr. Natalia Petreueva und Dr. Eugenia Bragina gleich ein richtiger Arbeitstag: Sie assistierten bei einem Kaiserschnitt und zwei Geburten. Der Dienstag verlief ruhiger, und am Mittwoch stand die Operation eines großen Eierstockstumors an, bei der die Ärztinnen Chefarzt Prof. Dr. Friedrich Degenhardt zur Hand gingen.
Seit einigen Tagen sind die beiden Medizinerinnen, Gynäkologinnen an der Geburtshilfeklinik Nr. 2 in Nowgorod, zu Gast in der Frauenklinik des Franziskus Hospitals. Zehn Tage werden sie bleiben, um die Abläufe und Methoden in der Klinik und die Techniken ihrer Kollegen zu beobachten und dabei zu lernen. Ihre handwerklichen Fähigkeiten, betonen Degenhardt und Oberarzt Dr. Klaus Trillsch, sind hervorragend. Allein die in Russland oft noch mangelhafte Ausstattung der Krankenhäuser erzwingt oft ein anderes Vorgehen.
Degenhardt und Trillsch wissen, wovon sie sprechen: Degenhardt ist seit zwölf Jahren für die Stiftung »Kinder für Tschernobyl« tätig und arbeitet regelmäßig in Weißrussland und der Ukraine, Trillsch reist seit 1999 regelmäßig nach Nowgorod, um in Bielefelds Partnerstadt Kollegen fortzubilden und mit ihnen zu operieren.
Umgekehrt besuchen regelmäßig Gynäkologen und Gynäkologinnen aus Nowgorod das »Klösterchen«, um moderne Operations- und Geburtshilfetechniken kennenzulernen. »Selbstverständlich ist eine solche Zusammenarbeit nicht. Sie ist für mich gelebte Partnerschaft«, würdigte Oberbürgermeister Eberhard David den Austausch. Er hat die beiden Gynäkologinnen an ihrem Arbeitsplatz auf Zeit besucht und sich die Geburtshilfe im Franziskus Hospital angeschaut.
Rooming-in, betonten die Russinnen, die von Dolmetscherin Elena Alexeeva auch in den OP begleitet werden, sei heute auch in Russland möglich. Allerdings, weiß Degenhardt, sei dafür in der Regel das nötige »Kleingeld« erforderlich. In der Geburtshilfeklinik 2 ist man mittlerweile auch so fortschrittlich, dass die kleinen Kinder nicht mehr fest eingewickelt werden wie eine Babuschka. Und die Väter dürfen, wenn sie mögen, bei der Geburt dabei sein. »Nur beim Kaiserschnitt werden sie vor die Tür geschickt«, sagt Natalia Petreueva. Denn anders als im »Klösterchen« ist dann stets eine Vollnarkose der werdenden Mutter erforderlich: Eine Spinalanästhesie kennt man dort noch nicht.
Ihre Erfahrungen empfinden die Gynäkologinnen als bereichernd; zudem fühlen sie sich hervorragend aufgenommen (und haben auch bereits der Altstadt einen Besuch abgestattet). »Bielefeld gefällt uns sehr gut. Die Innenstadt ist gemütlich und sauber, und es gibt so viel Grün.«

Artikel vom 14.09.2006