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Die Sprache des Körpers

Abschlusstagung einer internationalen Forschungsgruppe im Zif der Uni

Von Sabine Schulze
Bielefeld (WB). Der Gesprächspartner zieht die Augenbrauen hoch: Er schaut fragend und erstaunt. Er verschränkt die Arme: Es wird schwer sein, an ihn heranzukommen.

Vielleicht auch erzählt er von einem neuen Bild und umfährt mit den Händen in der Luft die Maße. Oder er erzählt, wie die alte Frau den Taschendieb mit dem Regenschirm verjagt hat und fuchtelt dabei mit dem Arm. Der Schirm wurde also als Schlag- und nicht Stichwaffe eingesetzt, erfährt sein Gegenüber dadurch, ohne dass diese Information in Worte gekleidet worden wäre.
Sprache ist mehr als das, was man sagt: Der Körper spricht mit, Mimik und Gestik liefern dem Gegenüber zusätzliche Informationen. Und nicht nur das: Der Gesprächspartner imitiert oft unbewusst veränderte Körperhaltungen. Man ist miteinander über das gesprochene Wort hinaus verbunden. Woran das liegt, wie Körper aufeinander reagieren, wie Kommunikation funktioniert, wie sie modelliert werden kann und, letztlich, wie ein künstlich intelligentes System mit diesem Wissen gefüttert werden kann, gehört zu den Fragen, mit denen sich eine internationale Forschergruppe befasst hat.
Ein Jahr lang haben Neurowissenschaftler, Informatiker, Linguisten, Philosophen und Biologen im Zentrum für interdisziplinäre Forschung (ZiF) der Universität über »Verkörperte Kommunikation« gearbeitet. Geleitet wurde die Forschungsgruppe, die sich in dieser Woche zur Abschlusstagung in Bielefeld trifft, von Prof. Dr. Ipke Wachsmuth, Bielefeld, sowie Prof. Dr. Günter Knoblich, Newark. Hintergrund ihrer Arbeit war die Verbesserung der »Mensch-Maschine-Kommunikation«.
»Über die symbolische, also die vereinbarte Sprache hinaus werden Bedeutungen auch durch Gestik und Mimik übermittelt - und sind verständlich, obwohl der Code nicht vorab vereinbart wurde«, sagt Wachsmuth. Nur ein »schmückendes Beiwerk« sind Gesten für ihn nicht: »Ich bin überzeugt, dass sie untrennbar mit dem Wort, mit der Sprache verbunden sind.« Wenn jemand nach einem Schlaganfall die Sprache verliere, führt er an, verliere er oft zugleich die Gestik.
Zudem spricht vor dem ersten Wort oft bereits der Körper und sendet Signale aus; Signale, die das Gegenüber unbewusst aufnimmt. »Wenn ich sehe, dass mein Gesprächspartner zur Kaffeetasse greift, bereitet bei mir ein Hirnareal die Imitation dieser Bewegung vor - auch, wenn sie auf dem Weg zum so genannten Motor-Cortex dann vielleicht abgebremst wird.« Die so genannten Spiegelneuronen zeichnen dafür verantwortlich.
Wachsmuth will zunächst aus Erkenntnisinteresse wissen, wie die Kommunikation von Mensch zu Mensch funktioniert - und zwar von Grund auf. Darüber hinaus aber ist das genaue Verständnis eben wichtig, wenn das Modell dieser Kommunikation auch beim leichteren Miteinander von Mensch und Maschine klappen soll.
Zum Abschluss des Forschungsjahres gab es noch ein wissenschaftliches »Bonbon«: Prof. Karen Emmorey, San Diego, referierte über Gebärdensprache. Die war zuvor bewusst ausgenommen und nicht Gegenstand des Interesses: »Denn die Gebärdensprache ist ein konventionalisiertes System, eine eigene Sprache und eben nicht spontan«, erklärt Wachsmuth. Gleichwohl ist sie auch für ihn interessant. Denn auch wenn viele Zeichen dieser Sprache einen Gegenstand quasi bildhaft und pantomimisch beschreiben, ist Gebärdensprache alles andere als weltumspannend: Die kulturellen Zusammenhänge sind unterschiedlich, und die Gebärdensprachen sind längst kein »Notbehelf«, sondern lassen mit ihrer Grammatik, mit Syntax und Semantik auch über alles diskutieren. Mithin gibt es eine dänische, deutsche, französische oder amerikanische Variante. Emmoroy untersucht Produktion und Verstehen dieser Sprache sowie ihre Verankerung im Gehirn, um von hier aus die Natur der menschlichen Sprache zu verstehen.

Artikel vom 08.09.2006