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Großartige Welt der Wolken
Der Brite Gavin Pretor-Pinney gründete einen Verein für Wolkenfreunde - und wurde darüber zum Schriftsteller
Es ist ein Buch, das wahrscheinlich nur von einem Engländer kommen kann. Denn ein wenig skurril muss man wohl schon sein, wenn man sich auf 342 Seiten nur mit Wolkenbetrachtungen befasst.
Und natürlich sollte auch ein gewisses Maß an Erfahrung mit Regentagen vorliegen. Wobei Wolke ja nicht auch automatisch Regen bedeutet. Der Engländer Gavin Pretor-Pinney jedenfalls hat sich ans Werk gemacht und zu Hause auf der britischen Insel damit einen Bestseller gelandet. Inzwischen liegt »Wolkengucken« (Original: »The Cloudspotter's Guide«) auch in Deutschland in den Buchhandlungen.
Die Liebe zu den flüchtigen Himmelsgebilden reicht bei dem 38-Jährigen bis in die Kindheit zurück. Damals war der (spätere) Mitbegründer des britischen Magazins »The Idler« (»Der Müßiggänger«) noch davon überzeugt, dass Männer mit ellenlangen Leitern in den Himmel steigen und Watte von den Wolken pflücken. »Als ich klein war, habe ich stundenlang in den Himmel geguckt und in den Wolken Bilder, Schatten und Gesichter erkannt. Es ist eine Schande, dass man als Erwachsener diese Neugier verliert.«
Mit Anfang 30 erinnerte sich der englische Hans-Guck-in-die-Luft an das Vergnügen von einst und rief die »Cloud Appreciation Society« ins Leben, die »Gesellschaft zur Wertschätzung der Wolke«. Mehr als 3000 Mitglieder hat der etwas merkwürdige Club inzwischen schon. Die »Cloudspotter« (»Wolkenbeobachter«) haben sich zum Ziel gesetzt, den verschiedenen Himmelsgebilden von Altocumulus (Schäfchenwolke) bis Nimbostratus (Regenwolke) zu einem besseren Ansehen zu verhelfen.
»Wir glauben, dass Wolken zu Unrecht schlecht gemacht werden und dass das Leben ohne sie unendlich viel ärmer wäre«, heißt es im Gründungsmanifest. Die Wolkenfreunde wettern zum Beispiel dagegen, dass rund um die Welt auf Ansichtskarten fast immer nur strahlend blauer Himmel zu sehen ist. »Zu viele Leute denken, dass das perfekte Wetter ein wolkenloser Himmel ist«, findet Pretor-Pinney. Inzwischen hat er auf allen Kontinenten Mitstreiter für sein Anliegen gefunden. Auch einige Deutsche sind schon dabei.
Aus der Arbeit für die Society entstand nach und nach das Buch. Darin erfährt man zum Beispiel, dass Wolken in zehn Gattungen eingeteilt werden, die wiederum 26 Arten und 31 Unterarten haben (Begleitwolken und Sonderformen ausgenommen). Außerdem, dass sich in einer harmlosen mittelgroßen Schönwetterwolke Wasser mit dem Gewicht von 80 Elefanten befindet. Auch die Geschichte, wie die Russen Wolken »impften«, damit es bei ihren Militärparaden am 1. Mai nicht regnet, und andere wolkige Besonderheiten lässt sich Pretor-Pinney nicht entgehen.
Die »Königin der Wolken« hat der Wolken-Experte übrigens weitab seiner englischen Heimat ausgemacht: in Australien. Im letzten Kapitel berichtet er von der »Morgenpracht« - einer Wolkenwalze von mehr als 1000 Kilometern Länge, die jedes Jahr im September und Oktober an der Nordküste des fünften Kontinents entsteht. Inzwischen versammeln sich alljährlich viele Wolken-Liebhaber in dem kleinen Kaff Burketown, um auf die »Morning Glory« zu warten. In diesem Jahr ist Pretor-Pinney wohl wieder dabei, nachdem er das Spektakel im Vorjahr versäumte. Da musste er nämlich noch an seinem Buch arbeiten. Christoph Sator

Gavin Pretor-Pinney: »Wolkengucken«, Heyne Verlag, 342 Seiten, 20 Euro

Artikel vom 10.02.2007