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Günther Oettinger

»Es ist höchste Zeit, die Geberländer endlich zu entlasten.«

Leitartikel
Föderalismusreform

Nun beginnt das Gerangel
ums Geld


Von Friedhelm Peiter
Die umfangreichste Verfassungsänderung seit 1949 ist am 1. September in Kraft getreten: der erste Teil der Föderalismusreform. Damit wird die Macht zwischen Bund und Ländern neu verteilt. Die Länder haben weniger Einfluss auf die Bundespolitik, dafür erhalten sie mehr Zuständigkeiten. So werden etwa Bildung, Umweltrecht und der Ladenschluss Sache der Länder.
Die Verhandlungen über die zweite Stufe der Reform, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die im Herbst beginnen, werden noch weit mehr Streit bringen als der erste Teil, nicht so sehr zwischen Bund und Ländern, sondern unter den Ländern.
Hier geht es um den Verteilungskampf der Steuergelder zwischen den Habenichtsen - insbesondere Berlin, Bremen und Saarland - und den so genannten Geberländern im Länder-Finanzausgleich. Besonders Bayern und Baden-Württemberg zeigen sich jedoch zunehmend zahlungsunwillig.
Berlin (60 Milliarden Schulden), Bremen (13 Milliarden) und das Saarland (acht Milliarden) haben in Karlsruhe auch auf zusätzliche Bundeshilfen geklagt. Die Bundesregierung zeigt ihnen jedoch die kalte Schulter. Für zusätzliche Hilfen gebe es keinen rechtlichen Grund, heißt es in Berlin.
Was den »reichen Ländern« wie Bayern besonders sauer aufstößt, ist die Tatsache, dass Berlins rot-rote Koalition trotz aller Finanznöte sich weigert, seine sechs Wohnungsbaugesellschaften mit 270 000 Wohnungen zu verkaufen: geschätzter Marktwert 14 Milliarden Euro.
Bremen hat andere Sorgen. Das kleine Land ist mit enormer Wirtschaftskraft ausgestattet. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt über dem Bundesdurchschnitt. Es leidet aber darunter, dass der hohe Anteil der Pendler unter den Arbeitnehmern die Einkommen im niedersächsischen Umland versteuert. Die höchsten Ausgaben bundesweit für Sozialhilfeempfänger und eine 15-prozentige Arbeitslosigkeit sorgen dafür, dass Bremen nicht aus der Schuldenfalle herauskommt.
Auf der anderen Seite steht die Forderung aus Bayern und Baden-Württemberg, die Geberländer im Finanzausgleich endlich zu entlasten angesichts der »unverantwortlichen Verschuldungspolitik« einiger Länder. Die Fronten aufzulösen, erscheint fast unmöglich.
Dass Länder gemeinsam ihre Finanzprobleme angehen - etwa ein Nordstaat aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen oder Fusionen aus Rheinland-Pfalz und Saarland oder Berlin und Brandenburg - ist nach ablehnenden Äußerungen aus den kleinen Ländern illusorisch.
Ein vernünftiger Ausweg wäre ein nationaler Stabilitätspakt nach dem Vorbild des Maastricht-Vertrages, der den Bundesländern Grenzen der Neuverschuldung vorgibt und Strafen vorsieht. Hoffentlich gibt das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu den Klagen der Habenichtse, das im Herbst erwartet wird, den Politikern die nötige Hilfestellung für eine Lösung im Finanzgerangel.

Artikel vom 07.09.2006