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»Moppel« steht im Weg

Oberliga: TSG verliert Kampfspiel gegen TuS 97 mit 29:32

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). »Dafür sind wir ja Alten ja da«, strahlte Thorsten »Moppel« Lehmeier, dem die Schulter grün und blau geklopf wurde. Mit 30 Paraden hatte der Torwart-Routinier maßgeblichen Anteil am gestrigen 32:29 (18:16)-Streich des TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck im Stadtderby gegen die TSG Altenhagen-Heepen. 1 500 Zuschauer in der Seidensticker Halle sahen im 14-fachen Torschützen Ralf Bruelheide, 40 Jahre jung, den zweiten Matchwinner.

Spielerisch war der Ortskampf nur phasenweise auf hohem Nivau. Dafür entwickelte sich das erhoffte spannende Treffen. »Wir haben uns durch eine kritische Situation großartig durchgebissen«, frohlockte TuS 97-Coach Frank Spannuth angesichts des Happyend. »Dieses Spiel wird uns weiterbringen.« Aufsteiger TuS 97 verdrängte den Nachbarn nicht nur von der Tabellenspitze, sondern wahrte auch seine einzigartige Serie. Seit 13. März 2005 ist die Truppe aus dem Norden in der Meisterschaft nicht mehr besiegt worden.
Die TSG leistete sich in der Summe einfach zu viele Fehler und vergab neben etlichen »Hundertprozentigen« auch zwei Siebenmeter (Müller, von Hollen). So lag der Spitzenreiter, der beim Einlaufen seine Hände in eine Schüssel mit »geweihtem Heeper Domwasser« tunkte, lediglich beim 2:1 (3.) , 3:2 (4.) und 10:9 (18.) vorn. In der Folgezeit kamen Wagner und Co. gegen einen aufmerksamen TuS 97 aus der Rolle des Reagierens kaum noch heraus.
Jörg Harke begann mit einer überraschend defensiven Abwehrformation und musste hinterher eingestehen: »Mir fehlte in der ersten Halbzeit die Aggressivität. Wir haben Ralf Bruelheide schalten und walten lassen.« Zwar zeigte Harke sich mit der kämpferischen Einstellung zufrieden, doch irgendwie wirkte der Gastgeber »gehemmt«, wie TSG-Chef Heinrich Rödding resümierte. »Das befreite Aufspielen hat gefehlt. Wir waren nicht auf den Punkt topfit. Die anderen waren uns da einen Schritt voraus. Vielleicht haben sich unsere Jungs von der Kulisse und dem Derbycharakter beeindrucken lassen.«
Der angeschlagene Falk von Hollen nahm seine »Option im Hinterkopf« wahr und spielte doch. »Aber damit habe ich meinem Knie keinen Gefallen getan.« Seine Ausbeute: zwei verwandelte Siebenmeter. »Vertreter« Marcel Müller hatte seine beste Phase in der Anfangsviertelstunde und setzte mit vier schönen Treffern Akzente.
Dass die Hallenuhr erst vor dem Anpfiff und dann nach sieben Minuten wieder versagte, war ärgerlich. So dauerte Durchgang eins gefühlte 40 Minuten. Immer wieder war es Ralf Bruelheide, der das Zwei-Tore-Polster seiner Crew verteidigte. In doppelter Überzahl zogen die 97er zunächst bis auf 18:14 davon; Johann-David Starck und Falk von Hollen (7m) hielten die »Roten« im Spiel - 16:18.
Fortan entwickelte sich enger Schlagabtausch. Immer wieder vermochte sich die TSG bis auf einen Treffer heran zu hecheln; ob durch Korte (22:23, 44.), Müller (24:25, 47.) oder Schraps (27:28, 55.). Als dann Calle Wagner vom Siebenmeterpunkt nach langer Zeit sogar den Ausgleich schaffte (28:28, 55.), hoffte der Primus auf die Wende - aber vergebens. Ralf Bruelheide, Matthias Lewerenz und natürlich »Torminator« Lehmeier mit blitzartigen Reflexen schnürten den Sack zu.
Der enttäuschte TSG-Kapitän Carl-Moritz Wagner, der seine beiden Feldtore bereits in den ersten vier Minuten (3:2) erzielt hatte, warf sich entkräftet und enttäuscht auf eine Bank. »Der Torwart hat den Unterschied ausgemacht. Wir alle sind an Moppel gescheitert. Der hat einfach sensationell gehalten. Leider hat die Jöllenbecker Abwehr mich gut im Griff gehabt.«
Ein 19 Jahre älterer Kontrahent freute sich dafür diebisch. »Es hat Spaß gemacht, in solch einer Atmosphäre zu spielen«, meinte Kraftpaket Ralf Bruelheide. »Moppel war eine Bank. Ich hatte nie das Gefühl, dass wir das Spiel aus der Hand geben würden. Das war sehr angenehm. Von der Einstellung hat alles gepasst.« In der zweiten Halbzeit, als die TSG hinten offensiver zu Werke ging, musste »Tüdden« - er verwandelte alle fünf Siebenmeter - sich mit einem Feldtor begnügen.
Imponierend war, wie fair die Rivalen auf dem Parkett miteinander umgingen. Und als hinterher jeder jeden mehr oder weniger herzlich umarmte, hatte es beinahe etwas Familiäres. TSG Altenhagen-Heepen und TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck - Calle Wagner drückte sein Empfinden so aus: »Der Bielefelder Handball lebt!«

Artikel vom 09.09.2006