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Löwen-Orientierung ist noch nicht ganz klar

Braves und Überraschendes beim Filmfestival in Vendig - Kein richtiger Favorit zu sehen

Im Osten geht die Sonne auf: Der chinesische Regisseur Tsai Ming-Liang.

Von Peer Meinert
Venedig (dpa). Beim Filmfest am Lido droht man die Orientierung zu verlieren: Was ist gut, was nur Mittelmaß, was ging daneben? Gott sei Dank sind sich die Kritiker uneins wie eh und je. Wer ist Favorit für den Goldenen Löwen?
Etwa »Bobby« von Emilio Estevez? Anthony Hopkins, Harry Belafonte, Sharon Stone, Demi Moore, Heather Graham, Helen Hunt - allein diese Superstars in einen Film zu bekommen, ist ein Kunststück. Dann noch die Ermordung Robert Kennedys im »Schicksalsjahr« 1968 - das ist Stoff für großes Kino. Der Streifen ist politisch hochkorrekt, doch leider kreuzbrav, ohne Überraschung.
Da birgt »Children of Men« von Alfonso Cuarón schon eher Überraschungen: Man schreibt das Jahr 2027, die Menschheit ist unfruchtbar geworden, der jüngste Erdbewohner ist gerade im Alter von 18 Jahren gestorben. Es herrscht Chaos und Anarchie. In der Hauptrolle spielt Michael Caine hervorragend. Doch das macht die Story nicht glaubhafter.
Im Osten geht die Sonne auf: Eine Überraschung, ein neues Thema, bringt Tsai Ming-Liang, der Chinese aus Malaysia. Er erzählt über illegale Einwanderer. In der Glitzerstadt kommen die Armen und Ausgebeuteten aus Indien, nachts suchen sie Unterschlupf in den Baustellen für die neuen Hochhäuser. Leider sind Dialoge eher rar.
Neuen Stoff bringt auch Gianni Amelio (Italien): Da wollen chinesische Unternehmer ein angeblich unrentables Stahlunternehmen in Italien übernehmen und schließen. Darauf macht sich ein Arbeiter kurzerhand auf die Reise nach China und erlebt eine neue Welt.
Und die Favoriten? Es heißt, in der Gunst des Publikums liege »The Queen« von Stephen Frears ganz vorn, bester britischer Humor, ein Schmunzelstück. Die Kritiker dagegen favorisieren angeblich »Private Fears in Public Places« von Alain Resnais: ein Film wie ein Theaterstück, mit Isabelle Carré; ein Reigen von Dialogen, viel Schwermut, es geht um die Suche nach Liebe. Noch ist das Rennen also völlig offen.

Artikel vom 06.09.2006