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Kreuzen im Minenfeld Nahost

Möglicher Marine-Einsatz vor der Küste Libanons wirft viele Fragen auf

Von Anne-Beatrice Clasmann
Beirut (dpa). Noch ist keine Fregatte in Richtung Libanon ausgelaufen. Doch der immer noch etwas unklare Auftrag für die deutsche Marine wirft jetzt schon heikle Fragen auf.

Die Deutschen, so sieht es bislang aus, betreten mit ihrem geplanten Einsatz vor der libanesischen Küste ein politisches Minenfeld. Ganz oben auf der Liste der ungeklärten Punkte steht die Frage, wen die Deutschen vor der libanesischen Küste schützen sollen und vor wem.
Nach Angaben aus Beiruter Regierungskreisen wollen die schiitische Hisbollah und ihre Verbündeten, dass die Deutschen im Mittelmeer mindestens sieben Seemeilen vor der Küste kreuzen.
Die Hoheitsgewässer beginnen bereits zwölf Seemeilen vor der Küste. Die Deutschen sollen lediglich verhindern, dass israelische Kriegsschiffe oder U-Boote tiefer in libanesische Hoheitsgewässer eindringen.
Ministerpräsident Fuad Siniora und die ihm nahe stehenden Regierungsparteien hatten vor dem Beschluss von Montagabend zu erreichen versucht, dass die Deutschen auch fünf bis sieben Seemeilen von der Küste entfernt patrouillieren können. Damit würden sie in die Lage versetzt, mögliche Waffenlieferungen an die Hisbollah oder andere Gruppen auf dem Seeweg zu unterbinden.
Die Sieben-Meilen-Grenze dürfte auch noch im Sinne Israels sein. Doch die Bundesrepublik wäre, falls die deutsche Marine vor der libanesischen Küste tatsächlich ein Schiff oder Boot mit Waffen an Bord aufbringen sollte, sofort ungewollt Partei in einem regionalen Konflikt, in dem sie bisher vor allem als Vermittlerin ohne eigene Interessen Punkte sammeln konnte.
Auch über die Frage, wie die deutschen Einsatzkräfte ihre eigene Sicherheit gewährleisten sollen, ist noch nicht das letzte Wort gesprochen. BND-Chef Ernst Uhrlau soll über diese Frage nach Angaben aus libanesischen Regierungskreisen bei seinem Besuch in Beirut am vergangenen Wochenende mit Vertretern des libanesischen Militärgeheimdienst diskutiert haben. Das Ergebnis seiner Gespräche ist bislang noch unbekannt. Uhrlau soll jedoch klipp und klar gesagt haben, dass die Marine ihre Mission erst dann beginnen wird, wenn ausreichende »Sicherheitsmaßnahmen« zum Schutz der deutschen Soldaten getroffen worden sind.
Die Diskussion über den Einsatz deutscher Soldaten vor der libanesischen Küste hat jetzt im Libanon schon eine paradoxe Situation geschaffen. Auf der einen Seite hat die pro-iranische Hisbollah erklärt, dass sie eine deutsche Vermittlung bei einem Gefangenenaustausch mit Israel sehr begrüßen würde.
Auf der anderen Seite weckt die Vorstellung, dass deutsche Soldaten im Mittelmeer kreuzen und eventuell Waffenlieferung stoppen könnten, die für die Hisbollah bestimmt sind, bei der Schiiten-Bewegung feindselige Gefühle. Denn die Hisbollah wittert derzeit überall Gegner. Sogar Journalisten, die für ausländische Medien arbeiten, stellte ein Hisbollah-Sprecher kürzlich unter Generalverdacht: »Das sind alles Spione«.

Artikel vom 06.09.2006