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Vertrauen wichtiger als Kosten

»Minipreis« setzt auf eigenes Fleischwerk und freiwillige Kontrollen

Von Dietmar Kemper
Lemgo/Salzkotten (WB). »Gammelfleisch ist bei uns ausgeschlossen«, sagt Ulrich Pohlmann. Er leitet das Fleischwerk der Klingenthal-Gruppe in Salzkotten. Vier bis fünf Mal in der Woche werden die 35 »Minipreis«-Supermärkte mit frischer Ware beliefert.

Dass Fleisch jahrelang in einem Kühlhaus liegt und noch verkauft wird, findet Pohl »unglaublich«. Zusätzlich zu den Stichproben der Veterinäre vor Ort werde »Minipreis«-Fleisch von der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) sowie unabhängigen privaten Prüfinstituten unregelmäßig und unangemeldet kontrolliert. »Immer ohne Befund«, ist Pohlmann stolz. Das Unternehmen habe sich freiwillig dazu verpflichtet, nur deutsches Rindfleisch und Schweinefleisch mit dem QS-Gütesiegel zu verkaufen. Der Betrieb des 1978 eingeweihten Fleischwerks und der Aufbau von Eigenkontrollen koste Geld, »aber dafür vertraut uns der Kunde«.
Auch NRW-Verbraucherschutzminister Eckhard Uhlenberg vertraut »Minipreis«. Anfang vergangener Woche lobte er in Verl bei einer Markt-Eröffnung den geschäftsführenden Gesellschafter Friedrich Klingenthal für das »vorbildliche Bemühen um Frische, Qualität und Sicherheit von Lebensmitteln«. Folgerichtig konzentriert sich das Land bei seinem Konzept der »risikoorientierten Kontrollen« auf Betriebe, die schon mal unangenehm aufgefallen sind. Kühlhäuser rücken in den Blickpunkt. »In den riesigen Kühlhäusern verschwindet Fleisch in der Anonymität«, sagte gestern Achim Stiebing vom Laboratorium Fleischtechnologie der Fachhochschule Lippe und Höxter in Lemgo. Zusammen mit Vertretern der Industrie, des Handwerks und Verbraucherschützern gehört Stiebing dem vom Ministerium eingerichteten Runden Tisch zur Lebensmittelsicherheit an.
Kühlhausbetreiber seien oft nur noch Vermieter von Flächen und wüssten gar nicht mehr, was da bis zu sechs Meter über dem Boden gelagert werde. Lebensmittelkontrolleure sollten eine strenge Dokumentationspflicht einfordern, rät Stiebing: Es müsse sofort erkennbar sein, wann welches Fleisch mit welcher Mindesthaltbarkeit angekommen ist. Darüber hinaus fordert Stiebing mehr Hygieneschulungen zum Beispiel für die Betreiber von Imbiss-Buden.
»Gammelfleisch schockiert die Verbraucher, aber es ist nicht die größte Gefahr für unsere Ernährungssicherheit«, meint Barbara Laubrock von der Landwirtschaftskammer NRW. Das Wissen um natürlich, also weitgehend ohne Pflanzenschutzmittel hergestelltes Essen gehe in der Bevölkerung verloren. Um Kinder in Offenen Ganztagsschulen aufzuklären, hat die Kammer zusammen mit der Landesregierung und dem Landesinstitut für Schule in Soest inzwischen 150 Landfrauen dafür gewonnen, sich zum Thema »Ernährungs-, Hauswirtschafts- und Verbraucherbildung im Primarbereich« weiterzuqualifizieren. Für einen Stundenlohn von 10 bis 20 Euro informieren sie die Schüler über gesunde Ernährung.

Artikel vom 05.09.2006