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Lauter Bielefelder Jungs

Emotionen garantiert: TSG und TuS 97 kämpfen um Oberligapunkte

Von Jörg Manthey
Bielefeld (WB). Die gute, alte Zeit. Damals hieß die TSG Altenhagen-Heepen noch TSV Altenhagen und war der TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck noch der TuS Jöllenbeck. Mehr als zwei Jahrzehnte ist es inzwischen her, dass sich die rivalisierenden Handballdörfer in der Oberliga um Punkte gebalgt haben. Am kommenden Freitag (20 Uhr, Seidensticker Halle) schlagen die beiden Klubs, die sich zur Ligaspitze zählen, ein neues Kapitel der Gegnerschaft auf. Mit welchem Ausgang, erscheint völlig offen.

Jedenfalls ist mit Unterstützung der Sparkasse Bielefeld (TSG-Geschäftsführer Manfred Quermann; »Die Nebenkosten für die Benutzung der Seidensticker Halle sind nicht unerheblich«), die mit beiden Vereinen seit jeher eine Werbe- und Sponsoring-Partnerschaft pflegt, alles gerüstet für ein Handballfest. Mit dem Umzug in die Werner-Bock-Straße verbunden sind Hoffnungen auf »800, 1000 oder auch mehr Zuschauer.« Sparkassen-Sprecher Norbert Schlingmann bezeichnet diplomatisch beide Lokalrivalen als »Nummer eins«. Das aktuelle Engagement des Finanzdienstleisters solle dazu beitragen, bei Bielefelds Handballgemeinde wieder »Lust auf Mehr« zu wecken.
Es ist müßig, die Klamottenkiste zu öffnen, um Brisanz zu schüren. So oder so ist am Freitagabend kein »normales« Handballspiel zu erwarten. Neben zwei Punkten steht eine gewichtige Portion Prestige auf dem Spiel. Es soll immer noch fossile TuS-Anhänger geben, die aus alter »Verbundenheit« keinen Fuß in die Heeper Sporthalle gesetzt hätten und entsprechend froh sind, dass das Derby auf neutralem Boden stattfindet. Was wiederum TSG-Trainer Jörg Harke, der freitags mit seinem Team in der Seidensticker Halle trainiert, »nicht ganz glücklich« macht. »Der Heimvorteil geht ein bisschen verloren. Ich hätte lieber in unserer kleinen Halle statt in einem Tempel gespielt. Aber natürlich weiß ich, dass es andere gute Gründe gibt, mal wieder hier zu spielen.«
Auch wenn »die Freundschaft für 60 Minuten ausgeschaltet«sei, wie TSG-Kapitän Carl-Moritz Wagner betont: Das gemeinsame Bierchen hinterher werde das Resultat schon wieder gerade rücken. »Fair Play« setzt der Kreisläufer bei allen Beteiligten voraus und rennt damit offene Türen ein. »Es gibt aus der Vergangenheit keine Aversionen unter denjenigen, die auf dem Parkett stehen. Auf anderer Ebene mag das vielleicht nicht so sein,« entgegnet TuS 97-KäptÕn Thorsten Lehmeier, der ganz unspektakulär einfach nur »Spaß« und »ein schönes Spiel« haben möchte. »Es treffen zwei gute Mannschaften aufeinander, und ich sehe auch eine Chance für uns. Aber der Ausgang dieser einen Partie wird gewiss nicht darüber entscheiden, ob wir auf Augenhöhe sind. Das ist erst am Ende der Saison abzulesen.«
Sein Coach Frank Spannuth findet »extrem erfreulich«, dass das »Sahnehäubchen« vor hoffentlich großer Kulisse »geprägt sein wird von Bielefelder Jungs.« Dies sei für die Entwicklung des hiesigen Handballs ein »gesunder Weg.« Da er seinen TuS 97 »noch nicht so ganz in der Liga angekommen« sieht, bürdet er dem Gastgeber im Vorübergehen die Last des Favoriten auf. »Wir leben von individueller Stärke. Die TSG hat ein Jahr Vorsprung im spielerischen Bereich,«, meint der Pädagoge, der beim 32:22 des Kontrahenten in Oberlübbe spionierte und sich fleißig Notizen machte.
Jörg Harke nahm den Ball bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am Montagabend schmunzelnd auf: »Wenn wir uns nochmal steigern können, haben wir eine Chance.« Der frühere Bundesligaspieler zeigt gehörigen Respekt vor der Nord-Mixtur aus alt und jung. »Mir fehlen manchmal solche erfahrenen Kräfte wie Ralf Bruelheide oder Moppel Lehmeier, die hinten stabilisieren oder vorne die Zügel in die Hand nehmen und das Spiel beruhigen. Meine junge, heiße Truppe ist immer auf dem Sprung nach vorne. Aber das hat ja auch was Gutes.«
Neben den Anhängern beider Lager dürfte die »Familienzusammenführung« am Freitag auch eine stattliche Zahl Neugieriger überzeugen, 6 Euro Eintritt zu investieren. Die Querverbindungen sind nicht ohne und bürgen für Emotionen. TSG-Geschäftsführer Manfred Quermann zählt schließlich zu den Gründungsvätern des TuS 97 Bielefeld-Jöllenbeck, derweil TSG-Coach Jörg Harke vor eineinhalb Jahrzehnten beim SCB 04/26 an der Seite von Andreas Scheibe spielte. Ganz zu schweigen von der armselig gescheiterten Ehe. Die von den Jürmkern abgelehnte und seitens der Vorstandsebene dennoch durchgepresste HSG Bielefeld war von Beginn an keine Liebesbeziehung. Weder sportlich noch wirtschaftlich stand das wacklige Konstrukt, das Sven-Eric Husemann, Thorsten Lehmeier, Marcel Volmer (alle TuS 97), Martin Glüer oder Johann-David Starck (beide TSG) in einem Team vereinte, unter einem guten Stern. Scheidung und Abstieg aus Liga zwei gingen einher. Derweil die TSG aus der Regionalliga nach unten weitergereicht wurde und sich inzwischen konsolidieren konnte, sind die Kollegen aus dem Bielefelder Norden aus »einer Position der Stärke heraus«, wie es Vereinsboss Dr. Ulf-Peter Schroeder gerne betont, zum Oberliga-Wettbewerber geworden. Die TSG Altenhagen-Heepen stimmt sich schon am Donnerstagabend auf das sportliche Großereignis ein. Chefkassierer »Kalla« Gutmann, vor kurzem 60 Jahre alt geworden, hat die Mannschaft zum Essen in den Runkelkrug eingeladen.

Artikel vom 06.09.2006