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Anti-Terror-Datei kommt

Bund und Länder einigen sich - 37 Behörden steuern Erkenntnisse bei

Berlin (Reuters). Einen Monat nach den gescheiterten Anschlägen auf Pendlerzüge haben sich Bund und Länder über die Einrichtung einer gemeinsamen Anti-Terror-Datei von Polizei und Geheimdiensten geeinigt.
Das Bundeskabinett will dazu noch im September einen Gesetzentwurf verabschieden. Die Datei werde eine rasche Abstimmung zwischen 37 Sicherheitsbehörden ermöglichen, zugleich aber auch dem Datenschutz Rechnung tragen, kündigte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nach einer Sonderkonferenz mit seinen Länderkollegen gestern in Berlin an.
Offen sollen in der Datei lediglich die Grunddaten eines Verdächtigen gespeichert werden. Darüber hinaus werden weitere Einzelheiten verdeckt registriert und erst auf Anfrage hin freigegeben. Dazu zählen Religionszugehörigkeit, Waffenbesitz, Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen, Beruf, Reisebewegungen, Bank- und Telekommunikationsdaten sowie Kontaktpersonen.
Zugleich einigten sich die Minister auf eine Ausdehnung der Videoüberwachung an Flughäfen, Bahnhöfen und Seehäfen. Außerdem sollen zur Terrorabwehr Lücken im Ausländerrecht geschlossen werden.
Über die Anti-Terror-Datei hatten Union und SPD seit Jahren gestritten. Vor allem ging es dabei um die Frage, ob die Datensammlung als Volltext-Datei mit direktem Zugriff auf alle Informationen oder als Index-Datei kommen sollte, die lediglich auf die Behörden verweist, die die gewünschten Informationen besitzen.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Günther Beckstein (CSU), betonte, nicht jeder Polizist werde auf die Datei zugreifen können. Dies bleibe Behördenleitern oder besonderen Beauftragen vorbehalten und sei auch nur in Fällen möglich, wo es um den Kampf gegen den Terrorismus gehe. Lediglich in kritischen Situationen und zur Abwehr unmittelbarer Gefahren sollten die Sicherheitsbehörden direkten Zugriff auf die verdeckten Daten erhalten.
Zu diesen verdeckten Angaben zählen auch Bewertungen und Einschätzungen der Ermittler zu einem Verdächtigen. Die Sicherheitsbehörden sollen verpflichtet werden, ihre Erkenntnisse in die Datei einzustellen. Eine Ausnahme gilt dabei vor allem für Geheimdienste, die den Schutz ihrer Quellen gefährdet sehen: Sie sollen über Anfragen informiert werden und dann von sich aus weitere Erkenntnisse nennen können.
Schäuble sprach von einer vernünftigen und verfassungsrechtlich einwandfreien Lösung. Die Sicherheitslage sei angespannt. Die Vorbereitungen zur Schaffung der Datei sollten noch vor dem Bundestagsbeschluss beginnen. »Der internationale Terrorismus lässt uns möglicherweise nicht so viel Zeit«, sagte der CDU-Politiker.
Seiner Einschätzung nach werde die Gefährdung künftig eher zu- als abnehmen. Die versuchten Anschläge auf die beiden Regionalzüge hätten sich allerdings auch durch die neue Datei nicht verhindern lassen, da die Verdächtigen vorher nicht auffällig geworden seien. Auch der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) äußerte sich zufrieden. Die Datei sei ein neues Hilfsmittel, um die Kommunikation zwischen den Behörden zu verbessern. Seite 4: Hintergrund und Kommentar

Artikel vom 05.09.2006