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Häftling nimmt
sich das Leben

Nach Angriff auf Frau verzweifelt

Von Christian Althoff
Detmold (WB). Verzweiflungstat hinter Gittern: In der JVA Detmold hat sich Häftling Burkhard G. (56) das Leben genommen. Der Metzgermeister sollte sich in Kürze vor Gericht verantworten, weil er im Juni seine Ex-Frau niedergestochen und lebensgefährlich verletzt hatte.

Seine jahrelange Spielsucht hatte Burkhard G. in den Ruin getrieben. Von seinem florierenden Geschäft und seinem Einfamilienhaus war dem Detmolder Metzgermeister nichts geblieben - er hatte alles an Spielautomaten verloren. Die Sucht war möglicherweise Gegenstand des heftigen Streites, zum dem es am 1. Juni zwischen Burkhard und Brigitte G. (64) gekommen war. Im Verlauf der Auseinandersetzung hatte der Metzger zu einem Messer gegriffen und auf die Frau eingestochen, von der er zwar seit langem geschieden war, die ihn aber wieder bei sich aufgenommen hatte.
Acht Wochen lag Brigitte G. im Koma. Auch jetzt, mehr als drei Monate nach dem Verbrechen, wird sie noch immer im Krankenhaus behandelt. Wegen ihrer schweren inneren Verletzungen konnte die Frau bis heute noch nicht vernommen werden.
»Burkhard G. war verzweifelt. Er ist nicht damit fertiggeworden, dass er seiner früheren Ehefrau so etwas angetan hat«, sagt Rechtsanwalt Dr. Knut Recksiek. Der Jurist war gestern informiert worden, dass man seinen Mandanten am Samstag tot in der Zelle gefunden hatte - mit einem Gürtel erhängt am Fenstergriff. Dem Anwalt gegenüber hatte Burkhard G. immer beteuert, sich nicht an den Tatabend erinnern zu können. »Er hatte eine Gedächtnislücke.«
Neben den Schuldgefühlen seiner Ex-Frau gegenüber habe den Metzgermeister sehr belastet, dass ihm der vom Gericht bestellte Gutachter die Erinnerungslücke nicht geglaubt habe. »Der Sachverständige geht nämlich von einem vorsätzlichen Tötungsversuch aus und hat eine Affekttat ausgeschlossen«, sagt Rechtsanwalt Recksiek, der das Gutachten anzweifelt: »Wenn ein Metzgermeister acht Mal auf seine Frau einsticht, aber nicht ein einziger Stich tödlich ist, spricht das sehr wohl für eine Tat im Affekt.«
In der Justizvollzugsanstalt Detmold galt der Häftling bereits seit längerer Zeit als suizidgefährdet. Er war deshalb in einer Zweimannzelle untergebracht, in die Vollzugsbeamte außerdem regelmäßig einen Blick warfen. In dieser Woche sollte Burkhard G. ins Justizkrankenhaus nach Fröndenberg verlegt werden, wo Ärzte ihn wegen seiner Freitodgefahr behandeln wollten.
Gestern Nachmittag erreichte den Rechtsanwalt ein Brief, den der Häftling am Freitag abgesandt hatte. Burkhard G. beschreibt darin wirre Bilder, die durch seinen Kopf geistern, und beendet den Brief mit dem Satz: »Ich hoffe so sehr auf Hilfe in Fröndenberg!« Stunden nach dem Schreiben des Briefes muss ihn dann in der Nacht zum Samstag doch die Verzweiflung übermannt haben.

Artikel vom 05.09.2006