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»Drama unter dem Wasserspiegel«

Planer der Werre-Absenkung stoßen vor Ort auf viele Fragen und Bedenken

Von Per Lütje (Text und Fotos)
Löhne/Bad Oeynhausen (LZ). Die Zeiten der stillen Werre scheinen vorbei. Seitdem in den Fluss durch die Absenkung des Sielwehrs Bewegung geraten ist, werden die kritischen Stimmen lauter. Das zeigte sich einmal mehr gestern Nachmittag während eines Vor-Ort-Termins mit Planern, Politikern und vielen Interessierten.

Mehr als 100 Menschen nutzten die Gelegenheit, sich über das Vorhaben der Städte Löhne und Bad Oeynhausen zu informieren. Im Mittelpunkt der Werre-Renaturierung steht das Sielwehr. »Mit ihm steht und fällt die ganze Planung«, betonte Detlef Sönnichsen vom gleichnamigen Mindener Ingenieurbüro. So gebe es auch nur drei Alternativen, die hinsichtlich der drei Meter hohen und 50 Jahre alten Staustufe in Betracht kämen: Sanierung, Teilabsenkung oder Beseitigung.
Allerdings machte der Planer auch klar, dass bei einer Sanierung des Sielwehrs eine Renaturierung der Werre nicht möglich sei. »Sie müssen sich entscheiden, ob Sie ein grünes Kleinod wollen«, meinte Sönnichsen und erhielt aus Reihen der Zuhörer prompt die Antwort: »Das haben wir doch schon.« Vor allem die Kanuten meldeten sich zu Wort und brachten ihre Einwände vor. So wurden Befürchtungen laut, dass sich die Werre im Sommer in ein Rinnsal verwandele, dass dann nicht mehr befahrbar sei. Dies werde nicht geschehen, meinte ein Mitarbeiter der Unteren Wasserbehörde in Herford: »Die Werre wird sich ein neues Flussbett schaffen. Sie müssen nur ein wenig Geduld haben.«
Diejenigen, die Bedenken gegenüber einer dauerhaften Absenkung der hegen, spekulierten indes über die Gründe des Vorhabens. Eine davon lautet, dass man dem Lockruf der Fördergelder verfalle. »Aber es ist ein vergifteter Köder«, meinte in der anschließenden Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses des Kreises Minden-Lübbecke Dr. Manfred Horter (SPD). Er habe ausgemacht, dass in der Stadt Bad Oeynhausen viele Bürger das Projekt ablehnen würden. Eine Ansicht, die Rainer Müller-Held von den Grünen nicht teilte. »Es gibt Widerstand aus Reihen der Kanufahrer und der Angler. Aber eigentlich gibt es in der Bevölkerung eine sehr breite Zustimmung«, sagte der Kommunalpolitiker.
Ein weiterer Vorwurf, dem sich Detlef Sönnichsen an diesen Tag ausgesetzt war, lautete, dass man die Betroffenen nicht in die Planungen einbinde. »Wir erarbeiten nur Vorschläge, um ihnen Grundlagen für eine Entscheidung an die Hand zu geben. Es ist noch nichts festgezurrt«, betonte Sönnichsen. Die Entscheidungshoheit liege bei den Kommunen und damit beim Stadtrat.
Welche der drei Alternativen der Ingenieur jedoch favorisiert, daraus machte er keinen Hehl. »Das Sielwehr erfüllt heute keine Funktion mehr.« So werde es nicht mehr für die Bewässerung der Salinen und auch nicht zur Stromerzeugung eingesetzt. »Es ist reine Gewohnheit. Aber unter diesem stillen Wasserspiegel spielt sich ein ökologisches Drama ab, das nicht sichtbar ist.« Zum Beweis hatte sich Sönnichsen einen Eimer faulig riechenden Schlicks aus dem Flussbett direkt vor dem Sielwehr besorgt.
Ob die Werre überhaupt dauerhaft abgesenkt werden kann, hängt in erster von den Ergebnissen der Grundwassermessungen ab. Diese zeigen laut des Hydrogeologen Frank Schmidt keine Auffälligkeiten. »Eine genaue Auswertung am Ende der acht Wochen muss zeigen, welche Auswirkungen das Absenken auf benachbarte Gewässer, Feuchtbiotope und auch Häuser hat.« Diese soll zum Jahresende vorliegen.

Artikel vom 05.09.2006