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Die etwas andere Party

Deutsches Team spielt am Donnerstag in Bielefeld

Bielefeld (WB). »Klarer Favorit ist natürlich Titelverteidiger England«, so Cheftrainer Willi Breuer, der außerdem die Teams aus den Niederlanden, Portugal und Polen als mögliche Konkurrenten für den angepeilten Einzug ins Welmeisterschafts-Halbfinale sieht.

Auf dem Weg dahin macht die deutsche Nationalmannschaft auch Station in Bielefeld. Am Donnerstag (Anpfiff 12.15 Uhr) spielt das Team um Kapitän Guido Skorna in der SchücoArena gegen die russische Vertretung.
Doch auch in Bielefeld geht es nicht nur um den sportlichen Erfolg. Begleitet wird die WM auch von einer Kampagne unter dem Motto »Anders ist auch normal«. Die will zeigen, »wie aktiv, wie engagiert, mit wie viel Begeisterung und Einsatzvermögen, Menschen mit geistiger Behinderung Fußball spielen können und dass sie weder vor Leistungsdruck noch vor Konkurrenz zurückschrecken«, wie es in der Broschüre »Geballte Leidenschaft« heißt.
Mit was für Problemen der Cheftrainer auf dem Platz zu kämpfen hat, kann keiner besser beurteilen als Willi Breuer. Um die zu illustrieren, erzählt er gerne diese Anekdote: Einmal rannte sein Mittelstürmer allein auf den gegnerischen Torwart zu. Als Breuer von der Seitenlinie herein schrie »Spiel' ihn aus!«, erledigte der Stürmer das umgehend. Aber er umkurvte eben nicht den Keeper, sondern drosch den Ball ins Seitenaus. Eine Szene, die Breuer, der in der Jugend Lukas Podolski trainierte, noch immer fassungslos macht. Und sauer auf sich selbst: »Das war ganz klar mein Fehler. Meine Anweisung war nicht deutlich genug.«
Das gleiche gilt für das Training. Es geht immer Schritt für Schritt. Nicht zu viel auf einmal lautet deshalb ein anderes Motto bei der etwas anderen Nationalmannschaft.
Probleme gibt's auch bei der Spielersuche und der Kaderzusammenstellung. So haben viele Eltern Vorbehalte, ihre Kinder bei den »Bekloppten« mitspielen zu lassen. Aber auch die Spieler erscheinen nicht immer. So fehlte beim letzten Trainingslager vor der WM ein Spieler aus Augsburg. »Der hat den Bus verpasst«, sagt Breuer. Auf die Idee, den nächsten zu nehmen, »darauf ist er nicht gekommen, er hat uns ja nicht einmal angerufen«. Das sind die Momente, in denen er verzweifelt.
Aber es gibt auch die anderen. Wenn sich zum Beispiel Eltern positiv über den Einfluss des Fußballspielens auf die allgemeine Entwicklung ihrer Sprösslinge äußern. In diesen Momenten, in denen die Kategorien des Sports hinter hehren Begriffen wie Anerkennung, Respekt und Wertschätzung verschwinden, sieht er sie erfüllt: seine Mission als Vater der wohl am schwersten zu trainiertenden Nationalmannschaft.
Der WDR überträgt die Begegnung aus der SchücoArena live ab 12 Uhr.

Artikel vom 05.09.2006