04.09.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Bergspitzen mit ewigem Licht

Jubel nach geplanter Bruchlandung der Sonde »SMART-1« auf dem Mond

Paris/Darmstadt(dpa). Es war eine programmierte Bruchlandung, ein lautloser Crash. Die erste europäische Sonde »SMART-1« verabschiedete sich beim harten Aufprall mit einem überaus hellen Blitz.

Erst hatte die europäische Sonde 16 Monate lang ihre Argusaugen auf den Mond gerichtet und frappierende wissenschaftliche Neuigkeiten gesammelt.
Jetzt hinterlässt sie nur einen Kratzer auf der Oberfläche in der mittleren Südregion des Erdtrabanten. Das spektakuläre Finale endete mit einem himmlischen Feuerwerk aufgewirbelten Materials, das die Fachleute bei aller Wehmut über das Ende dieser Mission begeisterte. Pünktlich, den Kommandos des europäischen Kontrollzentrums ESOC in Darmstadt folgend, schlug »SMART-1« gestern Morgen auf dem Mond ein: Staubwolken wirbelten auf, und die (ohne ihre Sonnensegel) von Form und Größe her einem Kühlschrank ähnelnde Sonde bildete einen Krater.
»Die Sonde hat alle unsere Erwartungen übertroffen, bis zur letzten Sekunde noch Informationen geliefert«, betonte »SMART-1«-Projektleiter Bernard Foing. Denn auch die beim Einschlag auf dem Mond aufgewirbelte Materie kann noch sehr wertvolle Daten liefern, beispielsweise darüber, wie sich der Boden zusammensetzt.
Dabei hätte alles ganz anders kommen können. Mit Dutzenden von Manövern war der Kurs der 366 Kilo schweren Sonde zwar immer wieder korrigiert worden. Die unsanfte Landung sollte auf erdzugewandter Seite und bei bestmöglicher »Theaterbeleuchtung« erfolgen. Obwohl die »SMART-1«-Kamera AMIE zwei Wochen vor dem Crash noch rasch Mosaik-Bilder mit hoher Auflösung von der »Einschlags-Zone« machte, konnten die Wissenschaftler einen verfrühten Zusammenstoß mit einem Kraterrand nicht ausschließen - dieser Mond-Unfall wäre beim vorletzten Orbit passiert, über der Vulkanebene »Lake of Excellence«. Der hohe Rand des nach dem deutschen Physiker Rudolf Clausius benannte Kraters bereitete Sorgen. Dramatische letzte Kursveränderungen verhinderten dann eine unplanmäßige Mondlandung.
So verlief auch der Schlussakt des Mondspektakels wie am Schnürchen - das letzte Stündlein schlug für »SMART-1« nach Plan. Bernard Foing indessen ist bei aller Begeisterung über die wissenschaftlichen Ergebnisse und den erfolgreichen Test des neuen Ionen-Triebwerks bei »SMART-1« schon in anderen Sphären. »Wir haben zwei Bergspitzen mit einem »ewigem Licht« von jeweils mehreren Quadratkilometern Fläche am Nordpol entdeckt«, schwärmt der Projektleiter. Dorthin wollen die Europäer einen Erkundungsroboter schicken, um die Geochemie zu untersuchen und in dem Krater »gleich nebenan« nach Eis zu suchen. Der zweite Flug der Europäer zum Mond, dann mit Roboter, könnte 2013 erfolgen.

Artikel vom 04.09.2006