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Ein Autor mit leichten Schwächen

Kritiker und Schriftsteller Fritz J. Raddatz wird am Sonntag 75 Jahre alt

Hamburg (dpa). Ein Kritiker-Kollege nannte ihn einmal einen der »ganz großen Feuilletonchefs«. In den 70ern und 80ern war Fritz J. Raddatz, der an diesem Sonntag 75 Jahre alt wird, einer der einflussreichsten deutschen Literaturkritiker.

Der ehemalige Kulturchef der Wochenzeitung »Die Zeit« ist auch Schriftsteller - in beiden Funktionen bekam er ebenso viel Einfluss und Anerkennung wie Spott und Häme. Anerkennung verschaffte er sich unter anderem als Herausgeber von Sammelbänden und Werkausgaben des Schriftstellers Kurt Tucholsky. Internationalen Ruf errang er mit Vorlesungen in fast allen europäischen Ländern zur modernen Literaturästhetik und als Schriftsteller. Mit der Romantrilogie »Kuhauge« (1984), »Der Wolkentrinker« (1987) und »Abtreibung« (1991) hatte er internationalen Erfolg. »Gestörte Balance« kam 1996 heraus. Raddatz' Buchveröffentlichungen umfassen mehr als 20 Bände, Biografien, Essays, Porträts, Gespräche, Romane und Erzählungen. Es ist ruhiger um ihn geworden, zuletzt erschien 2001 ein Buch über Gottfried Benn.
Heftige Kritik schlug ihm 1979 entgegen: Als Feuilletonchef der »Zeit« veröffentlichte Raddatz einen Artikel über die Verstrickung deutscher Dichter mit dem NS-Regime. Kritikerkollegen warfen ihm schlampige und fehlerhafte Argumentation vor. Schlimm wurde es für Raddatz 1985, als er einer Glosse aufsaß. In der »Zeit« wiederholte er ein von einem anderen Autor erfundenes Goethe-Zitat zum Frankfurter Bahnhof in aller Ernsthaftigkeit. Peinlich: Zu Lebzeiten des Dichters gab es dort keinen Bahnhof. Die Schadenfreude war groß, und die gesamte Feuilleton-Konkurrenz spie Spott und böse Worte. Kurz darauf gab Raddatz seinen Posten ab.

Artikel vom 02.09.2006