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Faucht hier der
goldene Löwe?

Venedigs Filmfest kommt in Fahrt

Von Peer Meinert
Venedig (dpa). Das Filmfestival am Lido kommt langsam auf Touren. Nach dem lauem Start waren am zweiten Tag die ersten guten Streifen zu sehen.
Präsentierten sich in Venedig: (v.l.) Ben Affleck, Diane Lane und Adrien Brody.Foto: dpa

»Zwartboek« (Black Book) etwa, von Regisseur Paul Verhoeven. In dem Thriller aus der Nazizeit geht es um eine Jüdin und einen deutschen SS-Offizier, um Liebe und Verrat - und nichts ist in der Story so, wie es zuerst den Anschein hat. Und dann spielt auch noch Sebastian Koch den sympathischen, gut aussehenden Offizier, der mit Widerstandsgruppen verhandelt und auch nicht recht zu wissen scheint, auf welcher Seite er steht. Ein erster Fall für den Goldenen Löwen?
Verhoeven gilt als einer der provokantesten und kontroversesten Hollywood-Regisseure, und das nicht erst seit »Basic Instinct«. Jetzt ist er, filmisch gesehen, in die Heimat zurückgekehrt. »Ich wollte, dass der Film realistisch und provokativ wird, ich will eine bisher unbekannte Seite der Niederlande im Jahr 1945 zeigen.« Tatsächlich beruht die Story auf einer wahren Begebenheit.
Die weibliche Hauptrolle der koketten jüdischen Varieté-Schönheit, die aus Nazi-Deutschland in die Niederlande abtaucht, spielt Carice van Houten. Und sie ist mindestens ebenso brillant wie ihr Partner Sebastian Koch. Weitere deutsche Schauspieler sind Christian Berkel und Waldemar Kobus. »Black Book« tritt als deutsch-niederländisch-britische Koproduktion im Kampf um den Löwen an, ein deutscher Regisseur ist dieses Jahr mal wieder nicht dabei.
Ein anderer Großer unter den Regisseuren, Spike Lee, zeigt derweil, was man aus einer Dokumentation machen kann. »When The Leeves Broke: A Requiem In Four Acts«, heißt der sperrige Titel, es geht um den Hurrikan »Katrina« und die Folgen. Dokumentationen führen ein Schattendasein auf Festivals. Doch was der Könner Lee daraus macht, ist schlichtweg atemberaubend. Wenn der Wirbelsturm New Orleans in den Griff bekommt, meint der Zuschauer, das Ächzen in den Häusermauern zu hören. »New Orleans kämpft um sein Leben«, sagt Lee, ein Könner eben. Schwachstelle des Films, der außer Konkurrenz läuft: Er ist vier Stunden lang.
Streckenweise beinahe dokumentarisch und doch ganz anders ist »World Trade Center« von Oliver Stone mit Nicolas Cage und Michael Peña. »Totale Klaustrophobie« meinen italienische Kritiker zu dem Streifen über die beiden Polizisten, die bei ihrer Rettungsaktion am 11. September 2001 unter den Trümmern eingeschlossen werden.

Artikel vom 02.09.2006