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Frage nach Alter verboten

Neues Gleichbehandlungsgesetz erschwert die Personalsuche

Von Bernhard Hertlein
Bielefeld (WB). Arbeitgeber, die »eine/n Mitarbeiter/-in« suchen, der »dynamisch«, »jung«, »mobil« und »körperlich belastbar« ist, sollten dies möglichst nicht in der Stellenanzeige kundtun. Sie laufen sonst Gefahr, auf Schmerzensgeld und Schadensersatz verklagt zu werden.

Das am 18. August 2006 in Kraft getretene »Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz« (AGG) verunsichert immer mehr Unternehmer in Deutschland. Es verbietet ihnen wie auch Privatleuten die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer Rasse, ethnischen Herkunft, Geschlecht, Alter, Behinderung, Weltanschauung, Religion oder sexuellen Identität.
Negative Hinweise in der Stellenanzeige oder entsprechende Fragen beim Vorstellungsgespräch können den Arbeitgeber teuer zu stehen kommen. Nach Angaben der Rechtsanwältin Christine Horke-Mai von der Bielefelder Anwaltssocietät Schlüter droht im Falle einer Verurteilung zunächst ein Schmerzensgeld, das bis zu einer Höhe des dreifachen Monatsgehaltes festgesetzt werden könne. Darüber hinaus könne der Beklagte zu Schadensersatz verpflichtet werden. »Hier ist noch völlig unklar, was als Schaden definiert werden kann«, meint Horke-Mai. Schlimmstenfalls müsse der Arbeitgeber dem abgewiesenen Bewerber das Gehalt ersetzen -Êmöglicherweise sogar bis zum Renteneintrittsalter.
Ob es wirklich dazu kommen wird, darauf mag sich kein Experte festlegen. »Das Gesetz ist so vage formuliert, dass jede Interpretation ein Stochern im Nebel ist«, sagt Melanie Wicht, die Leiterin des Referats Recht bei der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld. Sie verweist darauf, dass beim Arbeitsgericht in Hamm schon die ersten Verfahren wegen Diskrimierung anhängig sind. Man könne nur hoffen, dass die Richter möglichst schnell für Klarheit sorgen.
Ausgehend von dem schon bisher geltenden Verbot geschlechtlicher Diskrimierung scheint auf jeden Fall klar, dass Altersangaben wie »höchstens 35 Jahre« von nun an in Stellenanzeigen verboten sind. Auch Begriffe wie »dynamisch« und »mobil« sind verdächtig, ältere und behinderte Arbeitnehmer auszuschließen. Ebenso könnten junge Bewerber die Forderung nach Berufserfahrung als diskriminierend empfinden. Selbst die Frage nach dem Alter sollte sich der Unternehmer verkneifen.
Damit wird nach Ansicht von Andreas Pilz, Verwaltungsleiter der Handwerkskammer Ostwestfalen-Lippe, auch fraglich, welche Angaben der Arbeitgeber im Lebenslauf voraussetzen darf. Vom Geburtsdatum lasse sich unschwer auf das Alter und vom Geburtsort auf die nationale Herkunft schließen. Selbst Fragen nach dem Familienstand könnten dahin gehend verstanden werden, dass sich der Personalchef in Wirklichkeit dafür interessiere, ob der Bewerber homosexuell orientiert sei.
In den USA, wo ein ähnliches Gesetz schon länger Anwendung findet, wurde sogar das Foto aus den Bewerbungsunterlagen verbannt. »Wer eine Stelle wirklich haben will, sollte in Deutschland jedoch den Lebenslauf möglichst vollständig formulieren und auch auf das Foto keineswegs verzichten«, meint Pilz. S. 4: Kommentar/Wirtschaft

Artikel vom 02.09.2006