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B. Becker fordert den
»Altmeister« heraus

Agassi und Baghdatis liefern sich ein Tennis-Drama

New York (dpa). Ausgerechnet ein B. Becker kann Andre Agassi in den Ruhestand schicken. Nach dem Triumph in einem Tennis-Klassiker trifft Agassi bei den US Open auf Debütant Benjamin Becker, den Namensvetter seines berühmten Rivalen aus früheren Zeiten.Herausforderer aus Deutschland: Benjamin Becker. Foto: dpa
»Ich habe eine Menge Erfahrung darin, gegen B. Becker zu spielen. Vielleicht wird es mein letztes Match, aber ich hoffe es nicht«, sagte Agassi, der 14 Mal gegen Boris Becker antrat, aber kaum etwas über den Qualifikanten Benjamin Becker weiß. Der 25-jährige Saarländer freut sich schon auf »ein einzigartiges Erlebnis. Es war mein Traum, gegen ihn zu spielen. Er ist ein Idol.«
Während Becker mit dem 7:6 (7:3), 6:1, 6:2 über den Franzosen Sébastien Grosjean problemlos in die dritte Runde einzog und den größten Erfolg seiner Karriere feierte, zeigten Agassi und Marcos Baghdatis ein Drama um Mitternacht. Der 6:4, 6:4, 3:6, 5:7, 7:5-Erfolg des 36-jährigen Altmeisters wird als eines der größten Spiele in die Turniergeschichte eingehen. Es erinnerte an die letzten großen Auftritte des damals 39-jährigen Jimmy Connors, der sich 1991 bis ins Halbfinale kämpfte.
»Das hier bedeutet die Welt für mich«, sagte Agassi den 24 000 Fans, nachdem er den von Krämpfen geschwächten Baghdatis nach 3:48 Stunden niedergerungen hatte. Der Australian-Open-Finalist hatte im vierten Durchgang einen 0:4-Rückstand aufgeholt und schien stärker als Agassi, der peinigende Rückenschmerzen nach der ersten Runde mit einer 20-minütigen Kortison-Injektion bekämpft hatte. Die Welt-Anti- Doping-Agentur (WADA) hatte dies genehmigt. Offen ist, wie sich Agassi jetzt erholen wird. Sollte Tropensturm »Ernesto« die Pläne für diesen Samstag durcheinander wirbeln, könnte er einen Tag länger Pause bekommen.
Benjamin Becker stellte sich derweil schon auf seinen größten Auftritt ein. Dass er als erster deutscher Spieler unter die letzten 32 vorstoßen würde, stand nach dem knappen ersten Satz gegen Grosjean nie in Frage. »Ich hatte zwei Tage lang Pause und war frisch. Natürlich hatte ich einen Vorteil«, sagte Becker. Grosjean kam wegen Regens erst am Mittwoch zum Zug, musste fünf Sätze spielen und fühlte sich 24 Stunden später gegen den Außenseiter seiner Chancen beraubt.
Becker besichtigte danach das Arthur-Ashe-Stadion, wo das niemals zimperliche New Yorker Publikum alles tat, um Agassi in die nächste Runde zu verhelfen. Es beklatschte jeden Fehler von Baghdatis, der früh auf die linke Hand fiel und lange Zeit enttäuschte. Trotzdem wäre ihm fast geglückt, was in 20 Jahren allen 58 anderen vor ihm misslang: Agassi in New York trotz eines 0:2-Satzrückstandes zu schlagen.
»Ich wollte auf dem Platz sterben, ich wollte alles für den Sieg tun«, sagte der 21-Jährige, der sogar schmunzeln musste, als er nach einem Volley beim Stand von 4:4 im entscheidenden Satz mit Oberschenkelkrämpfen zusammen brach und sich danach kaum noch bewegen konnte. Routinier Agassi wurde trotz der neuerlichen Wendung sehr nervös, kassierte im fünften Satz sofort ein Break und gewann nur mit viel Glück. Und auf der Tribüne hatte ihm natürlich Ehefrau Steffi Graf ganz fest die Daumen gedrückt.

Artikel vom 02.09.2006