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Volksmund

»Warum ist am
Ende des Geldes eigentlich immer noch so viel
Monat übrig?«

Leitartikel
Zahlen geben alles her

Sudoku, Schulden, Akrobaten


Von Rolf Dressler
Geld regiert die Welt. Es bewirkt Segensreiches, aber auch weniger Gutes oder gar finster Kriminelles.
Unsere alltäglichen Erfahrungen beweisen freilich noch so manches mehr: die Macht und Wucht von Ziffern und Zahlen überhaupt. Mal finden wir den Weg ans Ziel erst, wenn ein wahrer Wust nach langem Mühen endlich durchdrungen und entschlüsselt ist. Mal bleibt das Laienpublikum ratlos zurück, weil ein Politikschaffender oder sonst ein öffentlich tätiger Mensch ein Zahlenfeuerwerk abgebrannt hat, das mit dem Begriff Zumutung sogar noch mild zu beschreiben ist.
Immer wieder freilich finden oder ereignen sich durchaus auch Zahlen-Kunststückchen, die - ob freiwillig oder unfreiwillig - den (Rechen-)Geist beflügeln und Herz und Sinne erfreuen.
Da entdecken zwei US-Professoren mit sehr freundlicher Unterstützung von 700 Computern die bis dato längste Primzahl aller Homo-sapiens-Zeiten. Sie misst exakt 9 152 052 Stellen und heißt mathematisch 2 hoch 30 402 457 minus 1.
Da fördern findige Forscherköpfe der Universitäten Münster, Köln und Oxford zutage, dass der Mond vor 4527 Millionen Jahren entstanden ist, also nur läppische 30 bis 50 Millionen Jährchen nach unserem Sonnensystem.
Da weist ein Dresdener Informatikstudent namens Bertram Felgenhauer nach, welchen Schwung der (auch bei den Lesern dieser Zeitung) besonders angesagte Trend-Kult-Ratesport »Sudoku« dem Denkapparat verleihen kann: Sudoku macht Spaß, stellt Ordnung her, macht nicht dick und hört niemals auf, weil es davon - einfach phänomenal -
6 670 903 752 021 072 936 960 Varianten mit 81 Kästchen gibt.
Und zur mehr oder minder er- heiternden Abrundung erhielt der Herforder Walter Meyer-Arend, seit fünf Jahrzehnten freiwillig versichert, von der örtlichen AOK die briefliche Nachricht, dass sich sein Monatsbeitrag zum Jahresbeginn 2006 um sensationelle 0,01 Euro (in Worten: um einen Cent) verringere. Den unverhofften Geldsegen will der überglückliche Empfänger nach eigenem Bekunden ganz spontan in die Ankurbelung der Binnenwirtschaft stecken...
Das mag gut gemeint sein. Es dürfte den 1,5-Billionen-Staatsschuldenberg jedoch ebensowenig abbauen helfen wie der Glaube an die vielbeschworenen Heilungskräfte eines natürlichen Wirtschaftswachstums (1, 2, 3, 4, 4, 4 ...), eines linearen Wachstums (1, 2, 3, 4, ...) oder eines exponentiellen Wachstums (1, 2, 4, 8, 16, 32, ...) - zumal unsere Riesen-Schuldenlast ja schon seit D-Mark-Zeiten nicht mehr getilgt wird und selbst die Zinszahlungen ins Astronomische weiterwuchern, allen Sparanstrengungen und sonstigen Brems- und Reformversuchen zum Trotz.
PS. Übrigens, die Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit resultieren aus Versicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer. Mit Steuergeld sollten Politiker, Zahlenakrobaten und Für-dumm-Verkäufer sie bitte nicht »verwechseln«.

Artikel vom 02.09.2006