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Ein Lob von der Lobby

Filmsatire »Thank you for Smoking« über Nikotinwerbung

Von Andreas Schnadwinkel
Bielefeld (WB). »Thank you for Smoking« ist ein Film über das Rauchen, in dem nicht geraucht wird. Das ist natürlich Absicht, denn es geht nicht unbedingt um die Nikotinsucht, sondern um die Beeinflussung der öffentlichen Meinung durch Kampagnen - von Lobbyisten, Werbern, Politikern und Medien.

Auf seine Art erinnert »Thank you for Smoking« weniger an das Anti-Raucher-Drama »The Insider« (mit Al Pacino und Russell Crowe) als vielmehr an die Medien- und Politsatire »Wag the Dog«, in der Dustin Hoffman und Robert DeNiro via TV einen Krieg zwischen den USA und Albanien veranstalten, um dem Präsidenten ein Wahlkampfthema zu liefern.
Regisseur Jason Reitman hatte sichtlich Freude daran, die hysterischen Aufgeregtheiten und reflexartigen Beschuldigungen zwischen militanten Nichtrauchern und Tabakkonzernen zu inszenieren. Dabei könnte jede andere Interessengruppe die Nikotinlobby ersetzen, allen voran die Pharmabranche oder die Rüstungsindustrie. Bei aller Satire erzählt der Film im Kern eine Vater-Sohn-Geschichte: Nick Naylor (Aaron Eckhart) lebt in Scheidung, sieht seinen Jungen aber so oft wie möglich und nimmt ihn mit auf seinen Feldzug für das Rauchen. Der Lobbyist nennt sich selbst »Das Gesicht der Zigarette«, tritt in Talkshows mühelos gegen vier Nikotinhasser an und dreht ihnen aus den eigenen Fakten einen argumentativen Strick. Opportunismus nennt er moralische Flexibilität und lebt mit einer gesunden Doppelmoral. Nick wird dafür bezahlt, Jugendliche zur Zigarette zu bringen und sie damit abhängig zu machen. Seinem Sohn kann er mit Worten nicht erklären, was er beruflich macht. Aber würde er seinem Sohn raten, mit dem Rauchen zu beginnen? Wieviel Vater steckt in dem Lobbyisten? Sein Gegner ist der Senator von Vermont, der statt »Krieg gegen den Terror« seinen Krieg gegen das Rauchen führt.
»Thank you for Smoking« kommt passend zur aktuellen Debatte über Nichtraucherschutz in die deutschen Kinos und leistet seinen Beitrag dazu, die Diskussion nicht zu verbissen zu führen. Nikotin ist eine gesellschaftlich seit langem akzeptierte Alltagsdroge, die in Verbindung mit den zig tabakfremden Inhaltsstoffen einer Zigarette süchtig macht.
Die Mischung aus körperlicher Abhängigkeit und Macht der Gewohnheit erschwert es selbst Willigen, das Rauchen aufzugeben. Aber der Druck ist hoch in Zeiten, da die Gesundheit für viele Menschen zur privaten Ersatzreligion wird. Und in Hollywood gilt: »Wer im Film raucht, ist entweder Psychopath oder Europäer.«
»Thank you for Smoking« ist in der Bielefelder »Kamera«, Feilenstraße 4, täglich von 18, 20 und 22 Uhr an zu sehen.

Artikel vom 02.09.2006