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Ohne Flucht doch Schadensersatz

Versicherung ersetzt nach Unfall Glasbruch am Kfz-Wrack

Bielefeld (uko). Förmlich an einem seidenen Faden hing für einen Bielefelder Kraftfahrer jetzt ein Schadensersatzprozeß gegen eine Versicherung: Weil dem Mann trotz einer Sachbeschädigung keine Unfallflucht nachzuweisen war, muß die Hamburg Mannheimer Versicherungs AG den Glasschaden am Auto des Mannes bezahlen.

Zu dem fürchterlichen Unfall war es in der Nacht zum 15. September 2005 auf der Oerlinghauser Straße gekommen. Auf dem Heimweg nach Hillegossen war Hermann S. (Name des Klägers geändert) hinter der Einmündung nach Lämershagen in Richtung der Autobahnbrücke gefahren und vor der Kurve mit seinem Wagen ins Schleudern geraten. »Mir war ein Wagen entgegengekommen, ich habe die Kontrolle über das Fahrzeug verloren«, beteuerte S. vor der 21. Zivilkammer des Landgerichts.
Er habe den Wagen noch abfangen können, dann jedoch habe sich das Auto »mehrmals überschlagen«, erinnerte sich der Unfallfahrer nur vage an die folgenden Sekunden. Schließlich sei das Fahrzeug im Graben gelandet. Schon an diese Situation habe er keine konkrete Erinnerung mehr gehabt. »Ich stand unter Schock.«
Tatsache ist, das Hermann S. sein Fahrzeugwrack verließ und Richtung Hillegossen tippelte. Er habe mitten in der Nacht »bei einem Freund geklingelt, weil ich auch meine Schlüssel verloren hatte. Hermann S. verneinte gestern entschieden die Antwort auf die Frage, ob er damals alkoholisiert gewesen sei.
Doch habe ihm der Freund geraten, sich umgehend an die Polizei zu wenden. Das tat der Unglücksfahrer auch, allerdings wandte er am folgenden Morgen zunächst an einen Rechtsanwalt, bevor er sich der Polizei stellte. Auch die Ordnungshüter vermuteten einen alkoholbedingten Unfall und eine nachfolgende Unfallflucht. Die Beweise aber blieben dünn. Die Staatsanwaltschaft stellte das Strafverfahren ein.
Und das, obwohl es einen schmalen Fingerzeig auf eine Unfallflucht gab: Am Unfallort war ein Leitpfosten durch den Wagen des Hillegossers umgewuchtet worden. Ausgerechnet dieses Detail wertete die Hamburg Mannheimer Versicherung als untrügliches Indiz für eine sogenannte »Obliegenheitspflichtverletzung«, als Hermann K. bei der Assekuranz einen Kaskoschaden reklamierte: Der Hillegosser wollte den Glasbruch an seinem Wagen ersetzt haben, die Versicherung aber verweigerte die Zahlung.
Das Amtsgericht in erster Instanz gab der Versicherungs AG Recht. Tatsächlich, so sagt die Rechtsprechung, bedeutet ein entstandener »Fremdschaden« einen klaren Fall von Unfallflucht. Zwar sei der Pfosten nur 59 Euro wert gewesen, doch übersteige dieser Preis den Wert einer Bagatelle.
Die Zivilkammer unter Vorsitz von Hans-Dieter Dodt jedoch bezweifelte gestern, daß dem Hillegosser die Beschädigung überhaupt bewußt gewesen sei. Der Unfallverlauf und die Unfallspuren sprächen gegen die Annahme meinte Dodt. Die Kammer gab der Klage gegen die Versicherung statt. Die Hamburg Mannheimer Versicherungs AG muß also für den Schrottwagen noch einen Glasschaden in Höhe von 557 Euro ersetzen.Az. 21 S 145/06

Artikel vom 31.08.2006