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Beerbaum wieder obenauf

Reiter aus Riesenbeck wird vom Wackelkandidaten zum Vorreiter

Aachen (dpa). Ludger Beerbaum hat es den Kritikern und Zweiflern gezeigt. Vor den Weltmeisterschaften in Aachen galt der Topstar als Wackelkandidat, ihm drohte beim Höhepunkt im eigenen Land die Rolle des Ersatzmannes.

Noch in Aachen meldete sich sein ehemaliger Teamkamerad Franke Sloothaak (Borgholzhausen) mit Kritik an der WM-Nominierung zu Wort. Doch nach den ersten beiden Runden des Springreitens war Beerbaum wieder obenauf. Der 43-jährige Reiter blieb als einziger der hoch gehandelten deutschen Mannschaft frei von Fehlern und durfte sich vor dem zweiten Umlauf im Nationenpreis sogar noch Chancen auf die Einzel-Weltmeisterschaft machen - der einzige Titel, der in seiner großen Sammlung noch fehlt.
Zwei Jahrzehnte lang war Beerbaum der erfolgreichste Reiter, gewann so viele Titel wie kein anderer. Selbst der Brasilianer Rodrigo Pessoa, dreimaliger Weltcup-Sieger und Weltmeister von 1998, hat nicht annähernd eine solche Zahl von Erfolgen aufzuweisen. Vier olympische Goldmedaillen, zwei von Weltmeisterschaften und fünf von Europameisterschaften hängen zu Hause in Riesenbeck. In manchen Jahren gewann er bei Großen Preisen so viele Autos, dass er einen Gebrauchtwagen-Handel hätte eröffnen können.
»Da gab es schon einigen Neid«, gibt Beerbaum zu. Zuletzt lief es jedoch nicht mehr ganz so gut. Das fünfte Olympia-Gold musste der ehrgeizige Reiter wegen einer positiven Medikationsprobe in Athen wieder zurückgeben, seine Toppferde Gladdys und Goldfever plagten sich mit langwierigen Verletzungen herum. Und die jungen Pferde entwickelten sich nicht so schnell und erfolgreich wie er es selber gerne gehabt hätte. Seit mehr als einem Jahr steht Marcus Ehning aus Borken an der Spitze der Weltrangliste. Auf jenem Platz, der zuvor für Beerbaum reserviert zu sein schien.
Der »sportliche Nimmersatt« musste immer häufiger anderen zum Sieg gratulieren. Mancher in der Szene verfolgte es mit einer gewissen Schadenfreude. Oft genug hatte Beerbaum andere verprellt oder mit seiner manchmal rüden Art verletzt. Immer wieder gerne erzählt wird in Pferdesport-Kreisen jene Szene vom Abreiteplatz in Donaueschingen, als Beerbaum seinem Teamkamerden Otto Becker in nicht zu überhörender Lautstärke anblaffte: »Lern' Du erst mal reiten.«
Passend zum WM-Start meldete sich sein ehemaliger Mitstreiter Franke Sloothaak zu Wort und kritisierte Beerbaums Nominierung mit dem zehnjährigen Wallach L'Espoir. »Ich glaube, dass das Pferd noch nicht genug Erfahrung hat«, mäkelte Sloothaak.
Beerbaum sagte nur: »Warum soll Franke das nicht sagen? Es müssen sich ja nicht immer alle an den Händen halten.« Die beiden Null-Runden beim WM-Auftakt gaben Beerbaum die Gelassenheit, locker zu reagieren. Zum anderen ist er ehrlich genug, um zuzugeben: »L'Espoir ist kein einfaches Pferd. Das hat mich schon viel mehr Mühe gekostet als andere.«

Artikel vom 01.09.2006