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»Knast-Rap« soll Opfern helfen

Junge Strafgefangene unterstützen mit ihrer CD den »Weißen Ring«

Von Christian Althoff
und Oliver Schwabe (Fotos)
Herford (WB). Häftlinge der Jugendstrafanstalt Herford haben eine CD aufgenommen. Den Erlös wollen sie der Opferschutzorganisation »Weißer Ring« spenden. »Weil wir einsehen, dass wir Mist gebaut haben«, sagt René (21).

Sie nennen sich die »JVA Allstars«: Jeden Dienstagabend treffen sich René (dreieinhalb Jahre Haft wegen Nötigung und Körperverletzung), Mike (fünf Jahre wegen schweren Raubes), Sascha (fünf Jahre wegen schweren Diebstahls) und Philipp (zwei Jahre und zehn Monate wegen Körperverletzung) in der Gefängniskapelle. Unterstützt von Profimusiker Norbert Görder und dem Vollzugsbeamten Manfred Korte proben die Häftlinge dort ihren Sprechgesang, den Rap.
In ihren Texten setzen sich die Strafgefangenen mit Kriminalität und dem Leben hinter Gittern auseinander. »Viele Rapper verherrlichen in ihren Texten die Gewalt und das Leben im Knast - ohne zu wissen, was wirklich abgeht«, sagt René. Er war zwölf, als er den ersten Diebstahl beging und einem Nachbarn die Angelrute stahl. Danach habe er mehr und mehr Straftaten begangen. »Viermal bin ich verurteilt worden. Aber erst die letzte Haftstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wurde, hat mich zu der Einsicht gebracht, dass mein Leben so nicht weitergehen kann.«
Die »JVA Allstars« appellieren mit Songs wie »Was Du willst« an Gleichaltrige, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen. »Niemand sollte Liebeskummer, Arbeitslosigkeit oder Stress mit den Eltern als Ausrede für den Beginn einer kriminellen Karriere benutzen«, sagt Mike, der noch zehn Monate sitzen muss. Er habe eigentlich keinen Grund gehabt, kriminell zu werden, erzählt er: »Ich habe eine Jugendmannschaft trainiert, hatte eine Freundin und einen Ausbildungsplatz. Mir ging es gut, und ich habe nur getan, was mir gefiel - und dabei immer mehr Gesetze gebrochen.« Wochenendarreste, Sozialstunden - keine Strafe habe ihn beeindruckt. »Bis sie mir fünf Jahre verpasst haben.« Seitdem könne er nicht mehr über sein Leben bestimmen: »Das machen jetzt andere - bis zu meiner Entlassung im Juni 2007.«
Vor einiger Zeit hatten die Rapper in Vlotho ihren ersten (bewachten) Auftritt in Freiheit. Den Erlös von 162 Euro spendeten sie dem »Weißen Ring«. »Das hat mich sehr beeindruckt«, lobt Jürgen Menke, der die Herforder Außenstelle der Opferschutzorganisation leitet. Mit dem Geld will der pensionierte Kripochef Betroffenen häuslicher Gewalt helfen.
Begleitet von Vollzugsbeamten durften die »JVA Allstars« jetzt sogar in ein Tonstudio, um eine CD mit drei Titeln aufzunehmen - der »Verein für Straffälligenhilfe« hatte die Produktion finanziert. Er soll deshalb ebenso wie der »Weiße Ring« vom Verkauf der CD profitieren, die für drei Euro über die Haftanstalt vertrieben wird.
Friedrich Waldmann, der Leiter der JVA, bezeichnet das Musikprojekt als gute Möglichkeit für die Gefangenen, sich mit ihren Straftaten auseinanderzusetzen und gleichzeitig zu erfahren, dass Freizeit auch sinnvoll gestaltet werden kann. Waldmann: »Ich denke, die vier sind auf einem guten Weg.«www.jva-herford.de

Artikel vom 31.08.2006