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Ein Banker, wie er im Lehrbuch steht

Hans-Heiner Wiese (62) berichtet im Erzählcafé aus seinem Berufsleben

Brackwede (ptr). »Mein Lebensweg ist beruflich wie privat stets von einem hohen Maß an Kontinuität geprägt gewesen«, sagt Hans-Heiner Wiese und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: »Ich habe zum Beispiel noch immer die erste Frau an meiner Seite.« 44 Jahre lang hat der 62-Jährige für die Sparkasse Bielefeld und deren Vorläufer-Institute gearbeitet. Was er dort erlebte, schilderte Wiese im Erzählcafé.

Viel hat sich im Laufe der Jahre verändert, nicht nur die Umstellung von D-Mark auf Euro: »Als ich 1962 bei der Kreissparkasse anfing, musste ich jeden Morgen mit dem Bus zur Filiale nach Ubbedissen. Ein eigenes Auto hatten damals die wenigsten.« Dinge, die heute selbstverständlich sind existierten damals noch nicht: »An Fax, Computer oder Geldautomaten war lange Zeit nicht zu denken. Stattdessen wurden die Sparkassenbücher per Hand ausgefüllt.« Auch die Zinsberechnung für die einzelnen Konten erfolgte damals noch mehr oder weniger im Kopf: »Was heute quasi unbemerkt in der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar passiert, dafür haben wir Monate gebraucht. Meist haben wir im Oktober mit der Zinsberechnung angefangen und manch eine Nacht durchgearbeitet.«
Vorteil des geringen Technologie-Einsatzes sei ein persönlicherer Kontakt zu den Kunden gewesen, denn Geld gab es nunmal nur am Schalter. Dieser direkte Umgang mit Menschen sei es immer gewesen, der ihm bei der trockenen Zahlenarbeit den meisten Spaß gemacht habe. Ebenso sei das Verhältnis mit den Kollegen angesichts dieser Umstände von einem starken Zusammenhalt geprägt gewesen, weil man sich gegenseitig viel helfen musste. Auch als Lehrling habe man schnell dazugehört. »Ohne Computer war ich damals außerdem richtig fit im Kopfrechnen, wohingegen ich mich heute hin und wieder dabei ertappe, dass ich neun mal sieben in den Taschenrechner eintippe.«
Wieses Jugendtraum hatte dagegen wenig mit Zahlen zu tun. »Eigentlich wollte ich Bauer werden. Während der Ferien habe ich mich immer am liebsten auf dem Hof meiner Großeltern in Minden aufgehalten.« Richtung Sparkasse sei es dann zunächst mehr auf Betreiben seiner Eltern hin gegangen. »Bereut habe ich diesen Schritt aber zu keiner Zeit.« Vielmehr sei er dankbar für das Glück, in einer Zeit ohne Krieg und ohne große Angst vor Arbeitslosigkeit tätig gewesen sein zu dürfen.«
Etwa alle sieben Jahre habe er bei der Sparkasse neue Wege eingeschlagen. Über die Ausbildung ging es zunächst in die internen Abteilungen. Das Kredit- und Baufinanzierungsgeschäft lernte Wiese hier ebenso wie das Controlling und Rechnungswesen kennen, ehe der nächste Sprung zu einer Filiale in Babenhausen folgte. Von dort ging es für 14 Jahre zum Sparkassen-Standort an der Oldentruper Straße, »das einzige Mal, dass ich mir untreu geworden bin«, bis Wiese schließlich seine letzte Station in Brackwede an der Hauptstraße fand.
Noch heute identifiziert sich der 62-Jährige voll und ganz mit »seinem« Kreditinstitut, spricht gerne von »wir«, wenn es um die Sparkasse geht. Deren Weg will er weiterhin aufmerksam verfolgen: »Ich hoffe, dass die Sparkassen ihre Funktion im harten Wettbewerb mit Groß- und Direktbanken behaupten können.« Denn die ursprüngliche Grundidee, auch einfachen Handwerkern, kleinen Gewerbetreibenden oder Arbeitern eine Möglichkeit zu geben, ihr Vermögen gewinnbringend anzulegen, habe nach wie vor ihre Berechtigung.

Artikel vom 30.08.2006