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Stuttgart ruft wieder:
Anfang nach dem Ende

Auf zu neuen Ufern bei der Rückkehr der DFB-Auswahl

Von Friedrich-Wilhelm Kröger
Stuttgart (WB). Der Schatten der Weltmeisterschaft ist lang. Am Samstag Abend erreicht er Stuttgart. Dagegen ist nichts zu sagen, dagegen kann man ja auch nichts tun. Im Gottlieb Daimler-Stadion hatte die deutsche Nationalmannschaft am 8. Juli zum WM-Abschlussball geladen. 53 000 bejubelten das 3:1 gegen Portugal.

Es sind nicht ausnahmslos die selben Zuschauer, die nach dem aufwühlenden kleinen Finale im Sommer nun zum Auftakt der Qualifikation für die Europameisterschaft zurückkehren, aber genau so viele. In ausverkaufter Arena holt die DFB-Auswahl zwar endgültig der Alltag wieder ein, trotzdem würde sie auch gegen die sperrigen Iren (20.45/ARD) gern Festtagsstimmung beibehalten.
»Wir möchten da anschließen, wo wir bei der Weltmeisterschaft aufgehört haben«, hatte der Bundestrainer schon zu seinem Amtsantritt im August gesagt. Da schenkten die Spieler Joachim Löw zum Einstand ein unbeschwertes 3:0 gegen Schweden. Doch auch der Nachfolger von Jürgen Klinsmann weiß gut, dass dies eigentlich eine Partie außerhalb der Wertung war. Hier konnte seine Mannschaft gegen einen außerordentlich freundschaftlich gestimmten Gegner ungestört Glanz verbreiten. Es ist nicht zu vermuten, dass Irland die Schweden hier für vorbildhaft oder gar nacheiferungswürdig hält. Auch sollte ihr in Dublin erlittenes 0:4 gegen die Niederlande nicht täuschen, da waren sie schließlich nicht vollständig beisammen und mit Reservekräften angetreten.
Tatsächlich wird am Abend in Stuttgart auch jene Sorte Spiel angepfiffen, in der deutsche Mannschaften in der Vergangenheit immer wieder mal ein wenig ins Straucheln gerieten. Außerdem müssen Anforderungen und Anlass erst noch in Erinnerung gerufen werden. Qualifikation - das ist doch schon so lange her. Rudi Völler, Michael Skibbe und ihre Männer mühten sich vor drei Jahren auf dem Weg zur EURO nach Portugal ab. Nun locken 2008 Österreich und die Schweiz. Zu tun haben es die Deutschen bis dahin außer mit Irland mit Tschechien, Slowakei, Wales, Zypern und San Marino.
Gewinnen müssen sie ihre Gruppe nicht, Platz zwei wäre schon genug. Am Ende soll ohnehin der Titelgewinn stehen, mit dem es zum Bedauern von Löw bei der WM nicht ganz geklappt hat. »Das war unser Ziel. Wir haben es nicht erreicht«, sagte er und beugte damit gleich zufriedenem Zurücklehnen vor.
In Stuttgart wurde die DFB-Auswahl aber auch für Rang drei frenetisch abgefeiert. Es ist purer Zufall, dass sie ausgerechnet dort, wo vor fast zwei Monaten ein Kapital endete, das nächste aufschlägt. Die Intensität der Weltmeisterschaft wird nicht zu erreichen sein. »Die ist abgehakt und vorbei«, mag Löw nicht mehr in Erinnerung schwelgen, so schön sie auch gewesen sind. Deswegen muss trotzdem nicht gleich Fußball-Schwarzbrot auf den Tisch kommen. Es geht dem Bundestrainer darum, die Entwicklung der Spieler so voran zu treiben, dass ihr Auftreten auch in Zukunft sehenswert bleibt. Bloße Pflichterfüllung, zittrige Arbeitssiege - das ist nicht mehr angesagt.
So betrachtet wirkt die WM zwei Monate nach ihrem Abpfiff immer noch nach. Doch das Motto heißt: Auf zu neuen Ufern, nach dem Turnier ist immer nur vor dem Turnier. Löw geht von einem Zuwachs an Erfahrung aus, der in der Qualifikation mit ihren zwölf zum Teil sicher unangenehmen Duellen helfen soll: »Die Mannschaft ist reifer geworden. Ich vertraue ihr.«
Die Helden des Sommers haben einen Bonus beim Bundestrainer, das ist der kleine Extrazucker, den er bereitwillig verteilt. Die Gegenleistung erwartet der 46-Jährige im Gottlieb Daimler-Stadion. Die Rückkehr nach Stuttgart: Neuer Anfang nach dem schönen Ende.

Artikel vom 02.09.2006