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Was die Welt in ihrem
Innersten zusammenhält

Forschen, um Strom zu produzieren - aus Erdwärme

»Strukturgeologin, Sektion Geothermie« steht auf der Visitenkarte von Inga Moeck. Eine solche Fachfrau hätte die Expedition in Jules Vernes Roman »Reise zum Mittelpunkt der Erde« gebrauchen können, denn im Inneren der Erde kennt sie sich aus.
Inga Moeck sucht nach Orten, an denen sich Erdwärme fördern lässt. Die promovierte Geologin arbeitet zwar die meiste Zeit am Computer, aber hin und wieder auch direkt am Bohrloch.
Foto: www-unendlich-viel-energie.de/Langrock

Allerdings hätte Inga Moeck die Abenteurer aus dem Buch sicher davon abgebracht, über einen isländischen Vulkan ins Erdinnere zu klettern. Schließlich wären sie in der Realität schon nach wenigen hundert Metern gegart worden. In Deutschland ist es nicht ganz so heiß unter den Füßen. Dennoch wollen Wissenschaftler auch hierzulande Erdwärme stärker nutzen. Für Heizzwecke geschieht das schon länger. Künftig soll mittels Erdwärme aber auch Strom erzeugt werden. Und genau dafür leistet Inga Moeck vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) Pionierarbeit: Sie hat für die GeothermieForschungsstation in der Nähe von Groß Schönebeck bei Berlin ein dreidimensionales Modell erstellt, das die dortige Struktur der geologischen Schichtung bis in 4500 Meter Tiefe abbildet. Es wurde mit Hilfe von Daten aus DDR-Zeiten errechnet, die von erfolglosen ErdgasBohrungen stammen. »Wir haben sie mit Messdaten kombiniert, die wir in einem alten Bohrloch gewonnen haben«, erklärt die Wissenschaftlerin.
Durch die Bohrung in Groß Schönebeck soll einmal 150 Grad heißes Wasser nach oben schießen. Damit dies über 20 oder 30 Jahre gelingt, darf der Druck im geothermischen Reservoir nicht absinken. Darum soll das im Kraftwerk abgekühlte Wasser über eine zweite Bohrung zurück in den Untergrund gepresst werden. Die Kunst besteht nun darin, den Druck in der Tiefe aufrecht zu erhalten, ohne dabei kühles Wasser in die Förderbohrung zu drücken. Gesteuert wird dies etwa über den Abstand der Bohrungen. Das klingt banal, ist aber höchst kompliziert. Schließlich werden im Gestein gleichzeitig durch Überdruck weitverzweigte Risse erzeugt. Mit Hilfe der künstlichen Klüfte kann mehr Wasserdampf gefördert werden, und das bedeutet am Ende mehr Strom.
Für das komplexe hydraulische Management ist Inga Moecks Fachwissen unerlässlich. Schon während ihres Studiums untersuchte sie geologische Bruchzonen und Wasserleiter, so genannte Aquifere - damals zur Trinkwassergewinnung in der trockenen portugiesischen Algarve. Daraus wurde später ihre Dissertation. »Jetzt studiere ich immer noch Wasserleiter. Nur eben heiße - für die Nutzung zur Geothermie«, zieht die 34-Jährige eine Parallele.
Mit den Messungen und Experimenten will das GFZ zeigen, dass es möglich ist, aus Erdwärme auch unter schwierigen geologisch-thermischen Bedingungen wirtschaftlich Strom zu erzeugen. Gelingt dies, dann steht eine ideale Energiequelle zur Verfügung: Geothermie produziert kein Kohlendioxid und ist praktisch unerschöpflich. Zudem belasten die Tiefenbohrungen kaum die Landschaft. Das große Plus der Erdwärme im Mix erneuerbarer Energien ist ihre Unabhängig von Jahres- und Tageszeiten sowie von Klima- und Wetterschwankungen. Bohrbeginn für die Geothermalbohrung in Groß Schönebeck war Ende 2005. Das Geothermie-Kraftwerk könnte im Laufe des nächsten Jahres stehen. »Wenn alles glatt geht«, räumt die Geologin ein, »denn bei Forschung ist das Ende immer ein bisschen offen.«
Nicht auf eingefahrenen Gleisen fahren, das hat Inga Moeck einst mit ihrem Berufswunsch Geologie verbunden. Sie wurde nicht enttäuscht. »Ich wechsele zwischen Arbeit im Gelände, im Labor und im Büro«, sagt sie. In ihrem Arbeitsgebiet ergäben sich zudem jede Menge Arbeitskontakte zu anderen Berufszweigen. »Da ist Organisationstalent gefragt«, weiß die Mutter von zwei Kindern, die zu den wenigen Frauen in der Branche gehört.

Artikel vom 02.09.2006