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Nasrallah zeigt sein anderes Gesicht

Von der Leitfigur des Terrors zum gewieften Diplomaten in zwei Wochen

Von Anne-Beatrice Clasmann
Kairo (dpa). Zwei Wochen nach Kriegsende zeigt der Generalsekretär der schiitischen Hisbollah, Terrorchef und iranischer Gefolgsmnann, den Libanesen ein anderes Gesicht.
Wie ein Erlöser wird Schiitenchef Nasrallah von Anhängern gefeiert. Jetzt gibt er sich versöhnlich.

Hatte Hassan Nasrallah seine Landsleute während der 33 Kriegstage noch zum »heldenhaften Widerstand« aufgerufen, so gefällt sich der Mann mit dem islamisch-fromm wirkenden Bart plötzlich in der Rolle des besonnenen Diplomaten. Nach eigenen Angaben bemüht sich Nasrallah sogar um ein Treffen mit UN-Generalsekretär Kofi Annan, obwohl er alle UN-Resolutionen zum Libanon kritisiert hatte.
Selbst den Krieg sieht der schiitische Politiker, der von seinen Anhängern fast wie ein Erlöser verehrt wird, nun in einem anderen Licht. Vor zwei Wochen sprach Nasrallah trotz schwerster Verluste von einem libanesischen »Sieg«. Jetzt erklärt er in einem Interview: »Wenn wir gewusst hätten, dass Israel wegen der zwei (von der Hisbollah verschleppten) Soldaten einen derartigen Großangriff auf den Libanon beginnen würde, dann hätten wir sie gar nicht erst gefangen.«
Erstaunlich, dass sich die Hisbollah in diesem Punkt verkalkuliert haben soll. Denn erstens gab es israelische Drohungen in diese Richtung schon mehrfach und zweitens unterstellt Antisemit Nasrallah den Juden ohnehin immer die schlimmsten Absichten.
Westliche Beobachter meinen, dass Nasrallah die Hisbollah als Partei neu positionieren will - weg von den Milizaktivitäten. Außerdem: Die Hisbollah hat sich zwar gut versteckt. Doch im Falle einer »zweiten Runde« könnte die Miliz endgültig aufgerieben weden.
Nach unbestätigten Berichten soll es in der Hisbollah eine Strategiedebatte geben um die Frage, wie groß der Einfluss ist, den die Bewegung ihren Partnern in Damaskus und Teheran künftig einräumen will. Zumindest ein Teil der Hisbollah-Funktionäre scheint den Ruf der anderen libanesischen Parteien ernst zu nehmen, die die Schiitenbewegung nur dann akzeptieren, wenn sie sich nicht wie der verlängerte Arm der iranischen Führung benimmt.
Wie diese Debatte ausgeht, ist aber noch genau so unklar wie die Antwort auf die Frage, wann sich Nasrallah das erste Mal wieder zeigen wird. Denn wegen der israelischen Drohung, ihn umzubringen, meldet sich der Hisbollah-Chef seit Wochen nur noch aus dem Untergrund.

Artikel vom 29.08.2006